Hanf macht sich über seine berauschende Wirkung hinaus einen Namen. Die Nutzpflanze dient immer öfter als nachhaltiger Rohstoff – auch in der Kunst- und Designszene: Über Hanffasern, eine Künstlerin, die sich für Slow Art statt Fast Fashion entscheidet, und andere innovative Hanf-Befürworter:innen aus der Möbelbranche.
Slow Art statt Fast Fashion
Kreativität braucht Zeit – ein Gedanke, der ihr in der schnelllebigen Modebranche nicht vergönnt war. Yasmin Bawa, heute Slow Art Künstlerin, entwand sich nach ihrem Modestudium und der vierjährigen Arbeit bei einem schwedischen Label dem hektischen Rhythmus der Fashionwelt. Sie beschloss ihrem eigenen Tempo zu folgen und fand in diesem Zuge einen neuen Weg des kreativen Ausdrucks: skulpturale Designs auf Hanfbasis – geschaffen in intuitiver Handarbeit.
Bevor sie sich jedoch Hanf widmete, fertigte sie zunächst ihre Skulpturen aus Beton an – schließlich faszinierte Yasmin das Material. Doch sie kam nicht lange der Arbeit mit Beton nach. Der Preis in Bezug auf die Umwelt war ihr einfach zu hoch. In einem Architekturvideo entdeckte sie dann Hanfbeton. Sie war begeistert von der Kraft der Pflanze: Hanf ist umweltfreundlich, atmungsaktiv, langlebig und bindet Kohlenstoff.
Was sich in den Dimensionen eines Hauses verwirklichen ließe, müsste doch auch in kleinerer Ausführung funktionieren? Auf diese Frage wollte Yasmin eine Antwort finden: Es vergingen Monate, in denen die junge Künstlerin mit der Hanf-Mischung experimentierte, bis sie schließlich die perfekte Material-Mixtur für ihre Kunst fand: Hanf, Ton und Kalk, eine Werkstoff-Kombination, die sich perfekt von Hand formen lässt.
Hanf-Comeback – ökologisch bis in die Fasern
Noch vor einigen Jahren stand Hanf gedanklich in erster Linie mit dem Konsum von Cannabis in Verbindung. Dabei wird Hanf, Cannabis auf Latein, nicht nur wegen seiner beruhigenden Wirkung geschätzt, sondern findet auch in Sachen Nachhaltigkeit Zuspruch. Doch die Kraft von Hanf ist nicht neu: Schon vor Jahrtausenden galt Hanf bereits als wertvolle Nutzpflanze. Aus den Hanffasern wurden Textilien wie Kleidung und Stoffe für Segel, aber auch Seile und Papier gefertigt. Nicht verwunderlich, wenn man betrachtet, wie stark die Fasern der Nutzpflanze sind. Die langen Hanffasern besitzen die Eigenschaft, sowohl robust als auch widerstandsfähig zu sein. Daher eigenen sie sich über die Stoffe und Textilien hinaus auch für andere Hanfprodukte wie Yasmins Hocker, Lampen und anderen kunstvollen Objekten.
Und auch im Anbau ist die Nutzpflanze Hanf ökologisch vielversprechend: Im Gegensatz zu vielen anderen Nutzpflanzen ist Hanf sehr resistent – benötigt also keine Pestizide und trotzt Kälte. Zudem wächst die Pflanze schnell und braucht nur wenig Wasser – im Gegensatz zu Baumwolle. Das macht die Pflanze als Rohstoff für zahlreiche Hanfprodukte wertvoll. Ebenfalls ein ökologischer Vorteil: Hanf ist biologisch abbaubar.
Kunst mit Hanf: Der kreative Prozess bringt die Vollendung
Bei Yasmins Arbeiten trifft traditionelle Handarbeit auf Nachhaltigkeit des modernen Mindsets. Angefangen bei der Herstellung der Hanf-Mischung, folgt danach das erste Formen der groben Gestalt. Diese muss dann eine Woche lang an der Luft trocknen. Schicht für Schicht bestreicht die in Berlin lebende Künstlerin dann mit Lehm und Kalk die getrocknete Basis. Die Farbe ihrer Skulptur kreiert sie aus einer Kombination der verschiedenen Anteile von Kalk und Lehm oder durch die Zugabe natürlicher Pigmente. Zwischen jeder Schicht wird die Kreation mit einem fein-polierten Steinen geschliffen und geglättet. Eine langwierige Arbeit, die oftmals um die vier Wochen dauert, aber auch Raum für Fehler und Findung gibt. Für Yasmin kein Problem. Bei ihrer Kunst wird sei geleitet vom Prozess und nicht einer konkreten Idee. Ihr Geist soll offenbleiben – schließlich entscheidet die zeitintensive und intuitive Komposition über die finale Formgebung.
Am Ende erzählen ihr erschaffenen Hanfprodukte Geschichten – miteinander kombiniert immer wieder neue. „Wenn man Teile auf diese Weise kombiniert, transzendieren sie sich zu etwas anderem, das sowohl vertraut als auch unerwartet ist“, sagt Yasmin in einem französischen Interview. Ob es sich nun um Kunst oder Designerstücke handelt? Wahrscheinlich sind Yasmins Werke eine Kombination aus hybriden Alltagsgegenständen und ausgestellten Kunstwerken. Eine konkrete Definition ist aber auch gar nicht notwendig, denn die Hanfprodukte sprechen mit ihren organischen Formen und der Beschaffenheit für sich selbst.
Naturnahes Design: Hanfprodukte in der Wohnung
Yasmin Bawa ist eine echte Vorreiterin in der Design-Branche – jedenfalls was Hanfbeton betrifft. Doch die Hanfpflanze hat sich in anderer Form einen Namen in der Möbelbranche gemacht: Die Pflanze wird gern als Material für Textilien wie Bezüge für Kissen, Decken oder Matratzen eingesetzt. Schließlich absorbieren Hanf-Stoffe Feuchtigkeit, sind für Allergiker:innen geeignet und besitzen wärmeregulierende Eigenschaften. Und auch Teppiche und Stühle können aus Cannabis bestehen, wie folgende Designer:innen beweisen.
Ein Teppich vollkommen aus Hanffasern
Sie hat bereits mit Größen wie Jaime Hayon zusammengearbeitet: Teppich-Designerin Nani Marquina stellte bereits ihre Kollektion „Herb“ aus Hanf her. Dabei besteht die Teppich-Serie zu 100 Prozent aus der Hanfpflanze. Produziert wurde sie in den Ländern Indien und Pakistan, die für ihre herausragende Teppich-Qualität bekannt sind. Alles in traditioneller Handarbeit – vom Gan bis zum Knüpfen des Teppichs.
Ein Stuhl aus Cannabis-Fasern und Harz
Doch die Nutzpflanze Hanf findet man nicht nur in Textil-Form bei Möbelstücken. Mit Hemp Fine brachte der niederländische Büro- und Projektmöbel-Hersteller Vepa zusammen mit dem Partner Plantics nachhaltige Stühle mit einer Sitzschale aus Hanf und Harz auf den Markt. Die Sitzschale ist zu 100 Prozent pflanzlichen Ursprungs und recyclingfähig. Eine Innovation, die zum Renewable Material of the Year 2021 gekürt wurde.
Judith liebt das Leben mitten in der Metropole Köln. Ihr Gespür für spannende Storys führt sie regelmäßig zu außergewöhnlichen Themen mit aktuellem Zeitgeist. Schon seit ihrer Kindheit folgt sie ihrer Passion, dem Schreiben; seit zwei Jahren nun auch als Redakteurin. Besonders begeistern sie die Themen Psychologie, DIY und Yoga. Bereiche, über die sie als Online-Redakteurin schreibt und die sie gerne ihrer Freizeit ausübt. Ein Gespür für ästhetische Einrichtung besitzt sie bereits seit ihrem Studium im Bereich Design. Seither entdeckt sie immer wieder neue Design-Innovationen und einzigartige Architekturen, über die sie auf kronendach berichtet.