Süßwasser wird immer knapper: In einigen Teilen der Welt sind die Menschen bereits auf zusätzliche Wasserquellen angewiesen – die Luft ist eine davon. Welche Innovationen es bereits gibt und wie sie funktionieren, erfährst du jetzt.
An der Pazifikküste im Norden Chiles gibt es ein erstaunliches Phänomen: Mitten in einer halbwüstenartigen Zone mit sehr geringem jährlichen Niederschlag, etwas südlich der extrem trockenen Atacamawüste, wächst ein dichter grüner Wald.
Das Wasser dafür kommt aus der Luft: Küstennebel vom Meer bleibt an den Berghängen „hängen“, kondensiert und ist ergiebig genug für eine grüne Oase mit subtropischer Vegetation.
Diesen so einfachen wie genialen Trick der Natur nutzen inzwischen Menschen in 35 Ländern: Entlang der amerikanischen Pazifikküste, aber auch in Marokko, Eritrea und Nepal gewinnen Menschen Trinkwasser dort, wo es zwar nicht viel regnet, aber oft neblig ist, mit einer Wasser-Innovation namens „Nebelfallen“.
Wasser-Innovation: Nebelfallen für dezentrale Versorgung
Damit geht einem das Wasser ganz buchstäblich „ins Netz“: Man spannt feine Netze auf große Rahmen und stellt die senkrecht zur Windrichtung auf. Der Wind treibt den Nebel vom Meer zu den Netzen, wo das Wasser an den Fäden zu winzigen Tröpfchen kondensiert. Die laufen zusammen, fallen schließlich in eine Sammelrinne und laufen von dort in einen Tank. Diese einfachste Grundversion der Nebelfallen wurde in Chile schon in den 60er Jahren ausprobiert und versorgt auch in Guatemala schon länger kleine, abgelegene Dörfer. Dort mussten die Frauen früher in der Trockenzeit mit Behältern Wasser von weit her zu Fuß holen – jetzt zapfen sie einfach den Nebeltank an und sparen jede Menge Zeit.
Damit Nebelfallen für mehr als nur ein Dorf oder als Vorzeigeprojekt reichen, haben Forscher:innen des MIT durchlässige Fasern entwickelt, die fünfmal mehr Wasser auffangen können, als die ersten Netze – das kam bei Testreihen in Chile heraus.
In Namibia haben Forscher sich die Technik für einen dreidimensionalen Wassersammelstoff bei einem kleinen heimischen Käfer abgeschaut: Onymacris unguicularis stellt sich morgens mit dem Rücken zum Nebel. Sein Panzer hat eine feine Mikrostruktur mit winzigen Hügelchen, an denen der Nebel gut hängenbleibt. Werden die Tropfen grösser, fließen sie über die Seiten in den Mund des Käfers. Die hügelige Struktur des Käferpanzers haben sich die Ingenieure Jamal Sarsour und Thomas Stegmaier vom Institut für Textil- und Faserforschung (ITV) in Denkendorf näher angeschaut und in Stoff nachgebildet: Heraus kam Stoff aus extrem haltbaren Polyesterfasern, die auch Wüstenwind und Sand standhalten. Der Stoff wird in zwei Schichten gespannt, die untereinander auf Abstand gehalten werden und mir Schlaufen verbunden sind. So entstand ein räumliches Gebilde, eine Art dreidimensionaler Stoff, der pro Quadratmeter drei Liter Wasser aus der Wüstenluft „fischen“ kann.
Noch einen Schritt weiter gehen findige Geister in noch trockeneren Regionen, denn:
Von der Klimaanlage zum Kumulus – Wasser-Innovationen vorgestellt
Luftfeuchtigkeit ist überall vorhanden und lässt sich daher auch aus der Luft ziehen. Das hat wohl oder übel jeder schon mitbekommen, der einmal in einer heißen Region unter außen montieren Klimaanlagen hergelaufen ist: Dort fallen kleine Tröpfchen aus den Apparaten auf die Passanten und lassen Sie erstaunt in den wolkenlosen Himmel blicken.
Wo man vergeblich sehnsüchtig auf echte Regentropfen vom Himmel wartet, sind Meerwasserentsalzungsanlagen eine Option, vor Allem in Israel wir diese Technik rege genutzt. Sie ist allerdings teuer und energieintensiv und daher nur eine letzte Option, um an Wasser zu kommen. Oft geht es einfacher und günstiger, wenn man eine unwahrscheinliche Wasserquelle anzapft: Wer weiß schon, dass sechsmal mehr Wasser in der Luft unserer Atmosphäre vorhanden ist als in allen Flüssen der Welt zusammen?
Die Start Ups, „Watergen“ in Israel, „Kumulus“ in Tunesien und „Aquahara Technology GmbH“ aus Deutschland nutzen genau das, was uns an Klimaanlagen stört, geschickt aus, um Wasser aus der Luft zu ziehen: Kühlung und Kondensation. Mit diesem Prinzip gewinnen sie dezentral und umweltfreundlich Wasser in Gegenden, wo es weder viel regnet noch große Grundwasservorräte oder Flüsse und Seen vorhanden sind. Die Energie dafür stammt per Solarmodul von der Sonne, die in wasserarmen Gebieten meist im Überfluss scheint.
Statt Kondensation benutzt Aquahara Salze, die extrem viel Wasser anziehen können. Die Salzlösung wird per Solarwärme aufgeheizt. Das Wasser verdampft und kondensiert zu destilliertem Wasser, die Salze bleiben zurück und können neues Wasser anziehen. Bleibt noch Mineralien hinzuzusetzen und fertig ist das Wunderwasser aus der Luft. Die Technik funktioniert sogar mit trockener, heißer Wüstenluft – aus 30 Kubikmetern Luft, also in etwa einem kleinen Kinderzimmer, kann man pro Tag ein Glas Wasser gewinnen.
Watergen und Kumulus arbeiten mit klassischer Kühlung und Kondensation. Die Luft läuft erst durch einen Schmutzfilter und wird danach gekühlt, bis das Wasser kondensiert. Das Wasser wird dann noch einmal gefiltert, wie bei Aquahara mit Mineralien versehen und ist dann trinkfertig. Auch diese Geräte können mit Solarstrom laufen oder aus Batterien gespeist werden.
Klar, landwirtschaftliche Flächen kann man so nicht im großen Stil wässern und auch keine Industrieanlagen versorgen. Aber die Nebelkollektoren und Wasser-aus-Luft- Apparate können durchaus ländliche Gebiete mit kleinen Ortschaften das ganze Jahr über dezentral mit frischem Trinkwasser zu versorgen. Und wer eine Sorge weniger hat, kann kreativ werden und sich weiterentwickeln!
Vera schreibt für uns remote vom Tor zu Patagonien/Chile aus. Dort ist sie als echter Outdoor-Fan genau richtig: Ob im Urwald, auf Lavafeldern oder am Pazifikstrand, Vera hält immer Ausschau nach kleinen Naturschätzen, erstaunlichen Details und kreativen Ideen. Kein Wunder, dass sie bei uns am liebsten über Travel, Nachhaltigkeit und spannende Menschen schreibt.