Das weltweit erste Osmosekraftwerk ging bereits ans Netz, weitere Forschungsarbeiten laufen auf Hochtouren. Was hinter der Technik steckt, was das für die Energiewende bedeutet und was Norwegen damit zu tun hat.
Das erste Osmose-Kraftwerk der Welt
„Wir glauben, dass Osmosekraft ein wichtiger Teil im weltweiten Energiemix werden wird“, sagte Baard Mikkelsen am 24. November 2009 bei der Eröffnung des weltweit ersten Osmosekraftwerks an der Südspitze des Oslofjordes im norwegischen Dorf Tofte. Baard Mikkelsen war damals der Chef von Statkraft, einem norwegischen Energieversorger, der dieses erste großangelegte Experiment mit Osmose wagte. Die Pläne waren damals groß: 2015 wollte Statkraft mit dem Bau eines kommerziellen Kraftwerks beginnen. Doch es sollte anders kommen; 2013 wurde das Osmosekraftwerk wieder vom Netz genommen. Zu gering war die Menge des erzeugten Stroms, die Anlage zu wenig wirtschaftlich. Nichtsdestotrotz sollte Baard Mikkelsen mit seiner Aussage recht behalten, denn bis heute wird Osmose als nächster Big Player in der Energiewende gehandelt.
Wie funktioniert ein Osmosekraftwerk?
„Blaue Energie“ nennt man die Energie, die durch Osmose gewonnen wird. Denn für Osmosekraftwerke braucht es vor allem eins: sehr große Mengen an Wasser, genauer gesagt Süßwasser und Salzwasser. Die hält die Natur schon für uns bereit, und zwar überall dort, wo Süßwasser-Flüsse ins salzige Meerwasser treffen.
Traditionelle Osmosekraftwerke, wie die Anlage in Norwegen, bestehen aus zwei Wasserbecken, die durch eine semipermeable Membran voneinander getrennt sind. Diese Membran funktioniert wie eine Art Trennwand, die nur bestimmte Stoffe hindurchlässt. Rohre leiten dann Salzwasser aus dem Meer und Süßwasser aus dem Fluss in die zwei Becken innerhalb der Anlage. So herrscht in den Becken jeweils eine unterschiedlich hohe Salzkonzentration.
Hier kommt das Prinzip der Osmose ins Spiel. Von Osmose spricht man, wenn sich ein Lösungsmittel, wie hier das Wasser, nur in eine Richtung durch eine semipermeable Membran bewegt. Das passiert, wenn die Flüssigkeit auf beiden Seiten der Membran eine unterschiedliche Konzentration aufweist – so wie das Süßwasser und Salzwasser in den getrennten Becken. Dadurch entsteht ein Ungleichgewicht, der osmotische Druck, welchen die Flüssigkeiten ausgleichen wollen.
Durch dieses natürliche Bestreben, den Konzentrationsunterschied auszugleichen, drängt das Süßwasser durch die Membran in das Salzwasserbecken – das Salzwasser hingegen passt aufgrund der Salzpartikel nicht durch die Membran hindurch. So entsteht im Salzwasserbecken ein Überdruck. Mithilfe dieses Drucks wird eine Turbine im Kraftwerk angetrieben, die Strom erzeugt.
Der Chemieingenieur Sydney Loeb erfand dieses Prinzip schon in den 1970er Jahren, als Ergebnis seiner jahrzehntelangen Forschungsarbeit in den Bereichen Membranprozesse, Entsalzung und Osmose. Statkraft wollte mit der Pilotanlage testen, ob sich nach Sydneys Idee tatsächlich kommerziell Strom gewinnen lässt. Die Membranen für die Anlage entwickelte der Konzern gemeinsam mit Forschenden des GKSS-Forschungszentrums in Geesthacht bei Hamburg (später umbenannt in Helmholtz-Zentrum-Geesthacht) im Rahmen eines von der EU geförderten Projekts.
Osmosekraftwerke – das Problem mit der Membran
Die Anlage in Norwegen konnte allerdings nur so viel Strom erzeugen, um eine Tasse Tee zu kochen. Das lag an den Membranen, das Herzstück, aber gleichzeitig auch die Schwachstelle des Osmosekraftwerks. Sie waren zu teuer und arbeiteten nicht effizient genug, um wirtschaftlich Strom zu erzeugen.
Forschenden der Rutger Universität in den USA ist es 2019 aber gelungen, eine Membran zu entwickeln, die dieses Problem in Zukunft lösen könnte. Diese Membran ist mit speziellen Nanoröhrchen besetzt, die verhindern, dass Salzwasser ungewollt durch sie hindurchdringen kann.
Osmosekraftwerke, die diese Membran in Zukunft nutzen würden, könnten laut den Wissenschaftler:innen bis zu 2,6 Terawatt Strom pro Jahr erzeugen – vorausgesetzt, die gesamten 37.000 Kubikkilometer Süßwasser, die jährlich in die Meere fließen, würden zur Stromerzeugung genutzt werden. Diese Menge entspricht etwa der Stromproduktion von 2.000 durchschnittlichen Kernkraftwerken. Noch arbeiten die Forschenden an einer kommerziellen Lösung – bis jetzt können erst zwei Prozent dieser Membran genutzt werden.
Ein anderer Ansatz – eine Batterie erzeugt Strom durch Osmose
Wissenschaftler:innen der Stanford Universität stellten 2019 einen anderen Ansatz zur Stromgewinnung mit Osmose vor – und zwar mit der von ihnen entwickelten Mischungsentropie-Batterie. In dieser Batterie befinden sich zwei Elektroden, also elektrische Leiter. Wenn die Batterie abwechselnd mit Süßwasser und Salzwasser befüllt wird, fließen die elektrisch geladenen Salzteilchen aufgrund der Osmose immer wieder in die Elektrodenmaterialien hinein beziehungsweise heraus. Dabei wird elektrische Energie freigesetzt, die über einen äußeren Stromkreis in das Stromnetz eingespeist werden kann.
Ein Test der Batterie mit Meerwasser aus einer Bucht in Kalifornien und gereinigtem Abwasser einer Kläranlage in Palo Alto verlief bereits erfolgreich. Noch steht die Technologie am Anfang, bisher liefert die Batterie nur im Labor Strom. Die Forscher:innen der Stanford Universität sind aber optimistisch: Sobald sie die Leistung der Batterie erhöhen können, wollen sie eine Pilotanlage am Meer bauen, um die Stromerzeugung für den kommerziellen Gebrauch zu testen.
Energie durch Osmosekraftwerke – das sind die Vorteile
Auch wenn die Technologie noch nicht ganz ausgereift ist, wird Osmose von vielen Expert:innen als nächster Big Player in der Energiewende gehandelt. Denn alleine an Flussmündungen ließen sich Wissenschaftler:innen zu folge jährlich 625 Terrawattstunden gewinnen, das entspricht drei Prozent des weltweiten Strombedarfs. Außerdem birgt die Blaue Energie eine Menge Vorteile.
Zum einen sind Osmosekraftwerke unabhängig von Wind und Wetter. Im Gegensatz zu Solar- oder Windkraftanlagen können sie rund um die Uhr, das ganze Jahr über Energie erzeugen. Selbst Länder, die weder Öl noch Kohle oder Berge haben, könnten so ihre eigene Energie gewinnen.
Darüber hinaus haben die Kraftwerke kaum Einfluss auf die Umwelt; sie arbeiten leise und setzen keine Treibhausgase frei.
Ob sich Blaue Energie tatsächlich durchsetzen wird, muss sich in den kommenden Jahren noch zeigen. Eins ist aber sicher: ihr wohnt schon heute enormes Potenzial inne.
Katrin hat in Berlin Publizistik studiert und schreibt seit drei Jahren als Redakteurin im Lifestyle-Bereich. Wenn sie nicht gerade die weite Welt bereist, übt Katrin Kopfstand auf ihrer Yogamatte, oder ist auf der Suche nach den neuesten Innovationen und Health-Trends. Deshalb schreibt sie bei kronendach für die Rubriken Travel, Mindfulness und Zeitgeist. Nach Feierabend findet man sie meistens mit einer Matcha Latte in der Hand durch die Straßen Hamburgs spazieren.