© Courtesy of Refik Anadol Studio, Los Angeles, CA / KI generiert

Innovation

KI-Kunst – traumhafte Datenskulpturen

© Courtesy of Refik Anadol Studio, Los Angeles, CA / KI generiert

Mit der Digitalisierung wandelt sich auch das Verständnis von Kunst. Kreative wie Refik Anadol nehmen sich der digitalen Sprache an und erschaffen daraus abstrakte Werke zum Träumen.

Refik Anadol – filmische Fantastereien machten ihn zum Künstler

Geht es um KI-Kunst, kommt man an dem türkischen Medienkünstler Refik Anadol nicht vorbei. Als einer der Pioniere im digitalen Kunsthandwerk hat er zahlreiche Preise und Auszeichnungen erhalten, darunter den „Global-“ sowie „German Design Award“. Die Idee, Daten als Pigmente zu nutzen, um seine Vorstellungskraft zu visualisieren, treibt den Ende- 30-Jährigen bereits seit 14 Jahren an. Dazu inspiriert haben ihn als Kind das futuristisch-konstruierte Los Angeles im Blockbuster „Blade Runner“. Auch wenn das heutige New York City eher an die Kulissen des Science-Fiction-Films von 1982 erinnern, zog es Anadol für sein Zweitstudium in Design- und Medienkunst nach Los Angeles. Zuvor erlangte er den Abschluss in den Studiengängen Fotografie sowie Video und Kunst in seiner Heimatstadt Istanbul.

Eine Symbiose aus Mensch und Maschine: Das kann KI-Kunst

2017 startete Refik ein besonderes Herzensprojekt, das er mithilfe von künstlicher Intelligenz erschafft. Als Tribut an seinen an Alzheimer erkrankten Onkel rief er „Melting Memories“ ins Leben: eine Installationsarbeit, die Erinnerungen in visuell-ästhetische Formen übersetzt. Dafür brauchte er die Unterstützung einer KI; ein Beweis dafür, dass KI-Kunst nicht allein das Werk einer künstlichen Intelligenz sein muss. Die Art und Weise, wie genau damit gearbeitet wird, unterscheidet sich jedoch von Künstler:in zu Künstler:in. Im Falle von „Melting Memories“ waren jede Menge Menschen beteiligt, auch wenn ihr künstlerisches Handwerk etwas anders als üblich zum Einsatz kam. Zusammen mit Wissenschaftler:innen der Neuroscape Labors der Universität von Kalifornien sammelten Refik und sein Team zunächst jede Menge Daten über Hirnströme. Sie mussten verstehen, wie das Gehirn arbeitet, um die Sprache der KI dazu zu nutzen, genau das zu visualisieren. Das Ergebnis: Abstrakte Gebilde auf einem LED-Bildschirm, die sich in hypnotischer Bewegung fließend zu neuen Formen entwickeln.

Wenn aus Daten Poesie wird – so funktioniert KI-Kunst

Dieses Kunstwerk ist nur ein Beispiel von vielen Installationen, die Refik mithilfe von Daten erschaffen hat. An seiner Seite arbeitet das 15-köpfige Team unter anderem bestehend aus Computergrafikexpert:innen, Architekt:innen, Musiker:innen und Datenwissenschaftler:innen. Nicht zu vergessen als Teammitglied ist die künstliche Intelligenz in Form von KI-Kunst-Programmen: Sie bestehen aus einer Gruppe von Algorithmen, die unter menschlicher Kontrolle lernfähig sind. Ohne das Team würde die KI nicht in der Lage sein, solche harmonisch-sphärenhaften Kunstwerke zu schaffen: In der Entwicklung eines neuen digitalen Kunstwerks müssen Parameter festgelegt werden, damit die künstliche Intelligenz überhaupt über Farben, Formen und Bewegungen entscheiden kann. Es ist ein Trainingsprozess, bei dem die Neuronen der KI immer wieder festgelegte Parameter neu berechnen und sich so dem gewünschten Ergebnis annähern. Die künstliche Intelligenz abstrahiert die ursprüngliche Erscheinung gesammelter Daten wie Fotos und bringt sie in eine neue dynamische Verbindung. So erscheinen flache Projektionen als dreidimensionale, illusionistische Farb- und Formräume.

Melting Memories von Refik Anadol
© Courtesy of Refik Anadol Studio, Los Angeles, CA / KI generiert

Ein Kunstwerk der Serie „Melting Memories“ von Refik Anadol.

Refik Anadol
© Courtesy of Refik Anadol Studio, Los Angeles, CA

Künstler Refik Anadol.

Ähnlich wie Refik arbeitet auch die britische Künstlerin Anna Ridler. In ihrem Schöpfungsprozess greift sie ebenfalls auf Algorithmen zurück. 2018 startet sie das Projekt „Mosaic Virus“ – eine Videoinstallationsserie von sich ständig entwickelten Tulpen, die mithilfe einer KI erzeugt wurde. Das Werk ist eine Anlehnung an die Tulpenmanie in den Niederlanden im 17. Jahrhundert.

Andere KI-Künstler:innen wie der Münchner Mario Klingemann setzen auf eine „unausgereifte“ Datenverarbeitung. In der Erschaffung neuer Arbeiten enthält er dem KI-Programm möglichst viele Informationen vor, um ein Ergebnis mit Überraschungseffekt zu erstellen. Für ihn ist der Umgang mit dem Unbekannten Reiz und Antrieb in seinem kunstschaffenden Prozess. Bester Beweis für seine Haltung: der von ihm entwickelte KI-Künstler „botto“, der selbstständig Bilder und andere Kunstwerke kreiert.

Der in Berlin lebende Künstler Roman Lipski konzentriert sich dagegen aufs herkömmliche Handwerk – jedenfalls zum Teil: Seine Bilder malt er mit Acrylfarbe auf Leinwand. Als Inspiration dient ihm allerdings seine KI-Muse. Dabei handelt es sich um einen Algorithmus, den der Unternehmer und Programmierer Florian Dohmann für ihn geschrieben hat.

Roman Lipski
© Roman Lipski

Künstler Roman Lipski.

Bild von Roman Lipski
© Roman Lipski / mithilfe von KI generiert

Ein Kunstwerk von der KI inspiriert: Untitled, 2019 – von Roman Lipski.

Egal in welcher Form – Daten-Künstler:innen verstehen unter künstlicher Intelligenz wohl viel mehr einen Kreativ-Partner als ein Instrument. Insbesondere für Refik Anadol steht hinter Zusammenarbeit von Mensch und Maschine eine klare Botschaft: Mit seiner Kunst möchte er unter anderem zeigen, was alles möglich ist, wenn wir Computer und Co. nicht nur an unserem Leben teilhaben lassen, sondern sie uns im kreativen Fluss zunutze machen. Das menschliche Gehirn schafft die kreative Idee, während die KI mit seinen Algorithmen die Kapazität besitzt, diese umzusetzen.

Lebende Kunst verbindet Vergangenheit mit Gegenwart und Zukunft – nicht nur im MoMa

Neben der visuellen Komponente setzt der Künstler auf Musik, um den Betrachter in tiefere Bewusstseinsebenen hineinzuversetzen. Noch bis Ende Oktober 2023 stellt er sein aktuelles Kunstprojekt „Unsupervised“ im Museum of Modern Art (MoMa) in New York aus. Das Museum ist nicht nur Schauplatz des Werkes, sondern auch dessen Ursprung. Denn in Refiks Arbeit wird Kunst aus 200 Jahren MoMA auf einer etwa sieben mal sieben Meter großen Medienwand neu und vor allem modern interpretiert. Aus einer Bandbreite von mehr als 300.000 öffentlich zugänglichen Werken schafft die KI gigantische Traumgebilde, die sich in Echtzeit zu anderen Formen wandeln. Ein lebendes Gemälde, insbesondere in Hinblick auf den Live-Input, der mit hineinfließt: Sensoren im Raum registrieren Veränderungen der Umgebung wie die Ansammlung an Menschen und deren Bewegungen. Diese Informationen nehmen direkten Einfluss auf das Kunstwerk.

Unsupervised im Museum of Modern Art von Refik Anadol
© Courtesy of Refik Anadol Studio, Los Angeles, CA / KI generiert

Ein Kunstwerk der Serie „Unsupervised“ von Refik Anadol im Museum of Modern Art.

KI generierte Kunst
© StockAI / KI generiert

Von einer KI generierte Kunst. Diese kann auch Portraits erzeugen, die einer Fotografie ähneln.

Zu sehen sind Refiks Werke nicht nur in Museen wie MoMa oder auch Istanbul Modern. Überall auf der Welt tauchen seine Kunstwerke auf, wie am Logan International Airport in Boston oder auf dem 27 Meter hohen Turm der Lilydale Station in Melbourne. Dort sind sie vorerst dauerhaft platziert.

Refiks Intention und Inspiration

Für Anadol existiert bereits das Fantastische tief im Inneren von uns, er möchte es mithilfe seiner Kunst sichtbar machen. Die Betrachtenden sollen sich von seinen Werken umhüllen und einnehmen lassen. So führen Ton und die nahtlos ineinanderfließenden Abstraktionen in einen meditativen Zustand. Am Ende sind seine Kunstwerke eine Symbiose aus Technologie und Kreativität, die die traditionellen Grenzen der Betrachtung überschreiten.

Kunstschaffende wie Refik machen deutlich, dass KI keine Bedrohung für das traditionelle Kunsthandwerk darstellt. Es ist vielmehr eine Möglichkeit, von Hand geschaffene Schöpfungen mit Technologie zu vereinen und ihnen eine neue Form zu verleihen. Erinnerungen, Fotos oder jahrhundertalte Kunst: Um welche Datenbasis es sich auch handeln mag, Technologie bietet Raum für kreative Prozesse und eine Erweiterung des herkömmlichen Kunstbegriffes.

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