Würden sich mehr Menschen für Wind-, Solaranlagen und Co. entscheiden, wenn sie schön aussehen? Zu etwa 80 Prozent nimmt der Mensch die Welt visuell wahr. So ist oftmals das Design Anreiz für eine neue Investition.
Die Energie einer kinetischen Skulptur
Auf den ersten Blick erinnert die „wind turbine wall“ an eine Skulptur einer kinetischen Kunstausstellung. Vertikale Turbinen bewegen sich im Einklang mit dem Wind – ein Anblick, der fast schon hypnotisch wirken könnte. Doch es steckt mehr hinter der kunstvollen Aufmachung. Joe Doucet ist Erfinder und Designer der besonderen Wand. Er nutzt ästhetisches Design, um darin innovative Technologie mit dem Fokus „Nachhaltigkeit“ zu integrieren. So wird seine „wind turbine wall“ zum Energieerzeuger: Bestehend aus 25 Turbinen, die jeweils an einen 400-Watt-Generator angeschlossen sind, wird eine Stromleistung von rund 10.000 Kilowattstunden im Jahr erzeugt. Die gewonnen Energie kann direkt in das Stromnetz fließen oder in Batterien gespeichert werden. Zum Vergleich: Laut dem Statistischen Bundesamt verbrauchte ein Zwei-Personen-Haushalt 2020 um die 3.000 Kilowattstunden im Jahr. Die Turbinenwand soll wie ein Solardach Haushalte mit Strom versorgen. Doucets ästhetisches Design dient dabei als Anreiz, Technologien erneuerbarer Energien gerne auf dem eigenen Grundstück zu integrieren. Statt die Fassadenoptik zu stören, wird sie durch die kunstvolle Wand vielmehr optisch aufgewertet. Diese ist zudem so konstruiert, dass sie sich über private Haushalte hinaus auch in andere urbane Räume sowohl in ihrer Größe als auch der Funktion einfügt. So wäre die Platzierung einer solchen Wandkonstruktion an den Rändern einer Autobahn denkbar. Die von den Fahrzeugen generierten Luftströme würden die Gewinnung erneuerbarer Energien verstärken und könnten so zumindest zu Teilen die angrenzende Stadt mit Strom versorgen. Bisher gibt es die „wind turbine wall“ nur als Prototyp, aber Doucets und sein Team arbeiten an der Verwirklichung ihrer Vision.
Sonne bringt Licht ins Dunkel
Mit dem Thema erneuerbare Energien in ansprechendem Design hat sich auch das italienische Unternehmen Dyaqua befasst. Der Name ihres Produktes „Invisible Solar-Modul“ ist Programm, denn das Unternehmen setzt auf unsichtbare Solare Energiesysteme – oder besser gesagt, versteckte: Solarzellen in Terrakotta-Optik. Die handgefertigten Dachziegel bestehen aus Photovoltaik-Zellen, die von einem Kunststoffgehäuse in Form eines Dachziegels umhüllt werden. Bei dem Kunststoff handelt es sich um eine nicht toxische und recyclebare Polymerverbindung. Während wir nur ein gewöhnliches Dach sehen, lässt das spezielle Material Sonnenstrahlen durch, die von den Photovoltaik-Modulen zu Energie umgewandelt werden. Die Solarpaneele können sich in ihrem Aussehen verschiedenen Baumaterial wie zum Beispiel Terrakotta annehmen.
So wurde bereits mit den innovativen Dachziegeln im Terrakotta-Look die Touristenhochburg Pompeji ausgestattet. Auf der Suche nach einer preiswerten und möglichst unsichtbaren Stromquelle für ihr Ruinen-Beleuchtungssystem stießen die Betreiber des Weltkulturerbes auf Dyaqua. Das Team war begeistert von den Solar-Dachziegeln, die sich nach wie vor perfekt in das antike Stadtbild einfügen. Seit 2018 ist dieses Energiesystem Teil der weltbekannten Ruinen und lässt diese regelmäßig bei Dunkelheit erstrahlen. Das Projekt zeigt, dass die Solar-Ziegel auch für denkmalgeschützte Architektur eine Chance sind, auf erneuerbare Energien zurückzugreifen.
Wenn die Wärme der Luft zu Energie wird
Auch Luft-Wasser-Wärmepumpen zählen zu den erneuerbaren Energien. Sie sorgen für angenehme Temperaturen im Haus sowohl an kalten als auch heißen Tagen. Dafür nutzen sie die Luft als Wärmequelle und damit eine Ressource, die uns unendlich und kostenlos zur Verfügung steht. Während die meisten solcher Pumpen an der Fassade angebracht sind und an eine veraltete Klimaanlage erinnern, zeigen Hersteller wie Remko, dass es auch elegantere Lösungen gibt. Ihr Klimasystem besteht ebenfalls aus Innen- und Außenmodul, allerdings unterscheidet sich die externe Pumpe sowohl optisch als auch akustisch von anderen Herstellermodellen. Das Design der „ARTstyle-Wärmepumpe“ besitzt die Form eines Zylinders und ist mit Metall- oder Holzpaneelen verkleidet. Die Schaufeln des Ventilators sind strömungstechnisch auf einen Schallpegel von unter 35 dB(A) optimiert, sodass die entstehende Geräuschkulisse in etwa der Lautstärke von Blätterrascheln entspricht. In ihrer Funktionsweise unterscheidet sich dieses Remko-Modell kaum von anderen Herstellern: Die der Luft entzogene Wärme wird mithilfe eines Kältemittelkreislaufs weiter erhöht und über das Innenmodul an das Heizungswasser übertragen. So wird Luft zu einer erneuerbaren Energie. Der Zylinder kann dafür fast überall auf dem Grundstück platziert werden, ohne für den Austausch direkt an der Fassade stehen zu müssen. Ganz ohne Stromverbrauch funktioniert eine Luft-Wasser-Wärmepumpe allerdings nicht. Dabei gilt: Je geringer der Unterschied zwischen Innen- und Außentemperatur ist, desto kleiner sind auch die Energiekosten.
Bis zum Jahr 2030 soll in Deutschland der Anteil erneuerbarer Energien 80 Prozent betragen. Im vergangenen Jahr lag der Durchschnitt bei insgesamt 49,6 Prozent. Kann ansprechendes Design dabei helfen, erneuerbare Energien zu steigern und damit zur Wende beitragen? Erneuerbare Energien können durch Installationen mit ansprechendem Design weniger als störender Fremdkörper dafür als Teil des Ganzen wahrgenommen werden. Doch auch wenn Ästhetik bei grüner Stromerzeugung ein Anreiz sein mag, hängt die Entscheidung zu großen Teilen von den Kosten ab.
Doch feststeht: Mit jeder weiteren Innovation in Richtung erneuerbarer Energien – ob nun ästhetisch gestaltet oder nicht – wird in unserer Gesellschaft Klimaverständnis und fortschrittlichem Umdenken immer mehr Raum gegeben.
Judith liebt das Leben mitten in der Metropole Köln. Ihr Gespür für spannende Storys führt sie regelmäßig zu außergewöhnlichen Themen mit aktuellem Zeitgeist. Schon seit ihrer Kindheit folgt sie ihrer Passion, dem Schreiben; seit zwei Jahren nun auch als Redakteurin. Besonders begeistern sie die Themen Psychologie, DIY und Yoga. Bereiche, über die sie als Online-Redakteurin schreibt und die sie gerne ihrer Freizeit ausübt. Ein Gespür für ästhetische Einrichtung besitzt sie bereits seit ihrem Studium im Bereich Design. Seither entdeckt sie immer wieder neue Design-Innovationen und einzigartige Architekturen, über die sie auf kronendach berichtet.