Vom Baby bis zum Schulkind: Als Familie mit Kindern auf Nachhaltigkeit achten und sowohl ökologisch als auch preiswert leben? Das geht mit unseren Tipps rund um Erziehung und den Umgang mit Kindern ganz einfach.
1994. Inmitten des Studiums treffen Anja Weidner und Sacha Thüngen eine lebensverändernde Entscheidung. Nicht einmal ihren Freunden und ihrer Familie sagten sie Bescheid. Recht spontan übernahmen sie die Firma Efie, die Plüschtiere für Kinder herstellt. Das geschieht zu großen Teilen in Handarbeit. Auf Giftstoffe wird verzichtet. Ihre Produktion ist komplett ökologisch und findet ausschließlich in Deutschland statt. Damit halten sie schon seit Jahren ihre CO2-Bilanz gering. Sie sind mit ihrer Entscheidung Trendsetter geworden, ohne es je geplant zu haben. Trotz alledem – der nachhaltigste Einkauf ist immer der, den man nicht tätigt. Das gilt gerade bei Kinderausstattung für jegliches Alter – und ist dabei besonders schwer einzuhalten. Werdende Eltern können sich leicht erschlagen fühlen von all dem, was sie angeblich bald brauchen. Zugegebenermaßen ist es auch schwer, zu widerstehen: Alles sieht so nützlich und niedlich aus. Da hilft nur tief durchatmen und Freunde oder Verwandte fragen, was man wirklich braucht. Das ist nämlich erstaunlich wenig.
Wenn die Kinder größer werden, wird die Sache mit der Nachhaltigkeit nur scheinbar leichter: Das Angebot in größeren Größen und bei Spielsachen ist nicht mehr so üppig. Kinder entwickeln schnell eigene Vorlieben und machen nicht mehr einfach alles mit. Wie du trotzdem nachhaltig mit Kindern lebst, vom Baby bis zum Schulkind, verraten dir unsere Tipps:
Nachhaltige Kindererziehung beginnt schon bei Babys
Jedes Kind verbraucht im Schnitt 5.000 Windeln, bis es trocken wird. Das ist etwa eine Tonne Müll. Eine riesige Belastung für die Umwelt. Die beste Methode, das zu verhindern, sind Stoffwindeln. Inzwischen gibt es eine große Auswahl an Modellen, sogar mitwachsende Höschen, die man einfach ausziehen und in die Wäsche geben kann – zu säubern sind sie einfacher als früher: Dank wasserlöslicher Windelpapiere aus 100 Prozent Zellstoff, die sich einfach in der Toilette entsorgen lassen. Allerdings machen Stoffwindeln nur dann ökologisch Sinn, wenn man eine energieeffiziente Waschmaschine hat und die Windeln an der Luft trocknet. Wer keine Stoffwindeln nutzen kann oder möchte, kann zumindest zu Öko-Windeln aus dem Drogeriemarkt greifen.
Auch bei dem riesigen Angebot an Hygieneartikeln gilt: Weniger ist mehr und auch kleine Veränderungen im Umgang haben einen großen Einfluss und Wert auf die Nachhaltigkeit. Prof. Peter Höger, Chefarzt der Abteilungen Pädiatrie und Pädiatrische Dermatologie und Allergologie am Katholischen Kinderkrankenhaus Wilhelmstift in Hamburg empfiehlt, einen Säugling etwa zweimal pro Woche mit klarem Wasser zu baden – mehr braucht Babyhaut nicht. Auch keine Cremes. Für gerötete Hausstellen empfehlen Hebammen gern, Muttermilch mit einem Wattepad aufzutragen. Auch den Babypo reinigt man am besten nur mit Wasser und Wattepads, Feuchttücher braucht kein Baby. Kleine Dinge, die weder Zeit kosten, noch den Umgang mit dem Baby in irgendeiner Form beeinträchtigen. Trotzdem helfen sie schon, sparsamer um Umgang mit den Ressourcen der Welt zu sein.
Bei Babykleidung, Spucktüchern, Bettwäsche und Badetüchern sollte alles, was nicht natürlich ist, ein No-Go sein. Achte beim Kauf dieser Sachen auf Oeko-Tex® Standard 100 oder GOTS-Zertifizierung. Schnuller sind heute alle schadstofffrei – aus Naturkautschuk sind sie allerdings am umweltfreundlichsten: Viele sind sogar kompostierbar.
Beim großen Babythema Ernährung hat die Natur den Müttern die nachhaltigste Option gleich mitgegeben: Stillen ist zero-waste und gratis. Wer nicht stillen kann oder will, nutzt am besten Pre-Anfangsmilch in Bio-Qualität, ökologisch-fair produziert – wie etwa von „Löwenzahn Organics“. Wenn das Baby an Brei gewöhnt wird, machen nachhaltig lebende Eltern diesen selbst. So entsteht kein Müll und man weiß genau, was drin ist. Und es ist kaum Mehraufwand: einfach alle Zutaten zusammen kochen, pürieren und gegebenenfalls einfrieren. Wer mehr Variation möchte, stellt mehrere Töpfe mit verschiedenen Zutaten auf den Herd. Statt müllproduzierender „Quetschies“ sind Obststückchen oder selbst gemachtes Fruchtmus die bessere Wahl – oder in diesem Fall sogar Gläschen, denn die sind recycelbar.
Umweltfreundliche Spielsachen
Wie bei vielen Babysachen gilt auch für Spielzeug: Gerade am Anfang brauchen Kinder nicht viel. Insbesondere kleinere Kinder spielen wunderbar mit allem, was sie gerade finden. Auf keinen Fall ins Kinderzimmer gehören minderwertige Plastikspielsachen mit Weichmachern und anderen Schadstoffen.
Bei nachhaltigem Spielzeug denken die meisten nicht ohne Grund zuerst an Holz. Achte bei Holzspielzeug darauf, dass es FSC-zertifiziert und, wenn überhaupt, schadstofffrei lackiert ist. Auch bei Kuscheltieren gibt es inzwischen eine große Auswahl aus Bio-Baumwolle oder gefüllt mit recyceltem Polyester. Wenn Du doch zu Kunststoff greifst, dann versichere dich, dass er „phthalatfrei“ bzw. „BPA-frei“ ist. Die Siegel „Spiel gut“ und „Fair spielt“ sind zudem ein guter Indikator für nachhaltig produziertes, sinnvolles Spielzeug.
„Wie bei vielen Babysachen gilt auch für Spielzeug: Gerade anfangs brauchen Kinder nicht viel“
Eine gute Nachricht ist: Die Spielwarenbranche steht vor einem Umbruch. „Nachhaltigkeit ist zwar noch eine Nische, aber eindeutig ein Trend in der Spielwarenbranche und wird immer wichtiger werden in den kommenden Jahren“, sagte Pablo Busó Alos, Bereichsleiter Nutzerforschung am AIJU Technologischen Institut für Kinder- und Freizeitprodukte in Spanien dem Branchenblatt der Kunststoffindustrie. So will zum Beispiel Lego bis 2030 nur noch Bausteine aus nachhaltigen Materialien fertigen, Playmobil arbeitet an einer Kreislaufwirtschaft und Mattel hat bereits eine Barbie-Reihe aus recyceltem Meeresplastik herausgebracht.
Kinder wollen nicht nur spielen, sondern auch kreieren. Dabei landet vieles auf der Haut, in den Haaren und im Mund. Achte daher auf Mal- und Bastelutensilien mit umweltfreundlichen Komponenten. Öko-Knete, Öko-Fingerfarben oder Öko-Wasserfarben können die Kinder problemlos in den Mund stecken und auch die Entsorgung von Produktresten stellt kein Problem dar. Bei Buntstiften sind unlackierte Stifte besser, denn erstens ist der Herstellungsprozess sauberer und zweitens landen keine Lackreste im Mund, wenn die Kinder an den Stifte kauen. Achte beim Kauf von Kreativutensilien auf recycelbare Verpackungen statt Plastik.
Wer seinen Nachwuchs 100 Prozent schadstofffrei und umweltfreundlich matschen lassen möchte, kann vieles auch selbst machen und in alten Marmeladengläsern aufbewahren: wie Zaubersand aus Mehl und Babyöl, Kleber aus Mehl und Wasser oder Knete aus Mehl, Wasser, Salz und Lebensmittelfarbe.
Plastikfreies Kinderzimmer
All die schönen Sachen landen wahrscheinlich im Kinderzimmer – in dem zumindest die Eltern gerne Ordnung haben. Die Standardlösung dafür sind oft stapelweise Plastikboxen. Die sehen allerdings oft nicht sehr einladend aus und halten den meist etwas „robusteren“ Gebrauch der Kinder nicht lange stand – und werden so schnell zu Plastikmüll. Eine nachhaltige Alternative mit gemütlicher Note sind Stoffhamper, feste Stoffkisten oder Sisal-Körbe. Wer die Stoffbehälter nicht schon mit Motiven kauft, kann sie mit Stoffresten verzieren. Wenn sich der Geschmack des Kindes ändert, tauscht man die Dekorationen einfach aus – genau wie den Inhalt. So kann eine hochwertige, einmal angeschaffte „Ordnungsausstattung“ jahrelang ihren Zweck erfüllen.
Für das Baby und später, wenn andere Designs gefragt sind, wird das Kinderzimmer auch gerne renoviert. Achte hierbei auf Wandfarben mit Öko-Siegel, damit keine Schadstoffe ins Kinderzimmer ausdünsten. Das gleiche gilt für Kindermöbel. FSC-zertifiziertes Holz kommt aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Firmen, die darauf achten, sorgen auch für unschädliche Farben und Lasuren.
Nachhaltig in Schule oder Kindergarten – so macht Lernen Spaß
Spätestens, wenn der Kita- oder Schulbesuch ansteht, kommen eine Menge Anschaffungen auf Eltern zu. Ein nachhaltiger Schulbesuch ist aber leichter, als man denkt.
Das beginnt im Alltag beim Transport. Zu Fuß oder mit dem Rad ist es natürlich am besten. Wo sich ein Auto nicht vermeiden lässt, sind Fahrgemeinschaften in Freundeskreisen oder Nachbarschaften die beste Option. Das entlastet nicht nur Umwelt und Straße, sondern auch die Eltern, die gerade nicht „dran“ sind.
Schulmaterialien sind nachhaltiger geworden. Umwelthefte sind nicht mehr grau und eigentlich nur noch am Blauer-Engel-Siegel von den anderen zu unterscheiden. Waren die Umschläge früher standardmäßig aus Plastik, gibt es heute schicke Optionen aus Stoff oder festem, bunt (natürlich ohne Schadstoffe) bedrucktem Recyclingpapier. Auch Stifte, Kleber, Farben, Kreide, Tinte und sogar Filzstifte gibt es von vielen Anbietern bereits in Öko-Qualität. Dazu kaufen Sie Anspitzer aus Holz oder Metall, und fertig ist die Schulausstattung.
Der meiste Müll fällt in den Pausen an, aber auch das muss nicht sein. Die beste Option für Getränke sind Edelstahlflaschen. Wenn sie jahrelang genutzt werden, sind auch hochwertige, bruchsichere Plastikflaschen keine Sünde. Snacks aus dem Unverpacktladen und Butterbrote oder Obst in wiederverwertbaren Boxen ersetzen einzeln verpackte Riegel oder Snacks und Brote in Plastikfolie. Brotboxen gibt es inzwischen aus Recyclingkunststoff und kompostierbaren Biokunststoffen.
Auch bei den Schulranzen gibt es nachhaltige Varianten: Ledertornister aus pflanzlich gegerbtem Leder sind zwar nicht vegan, aber umweltschonend hergestellt und Turnbeutel sowie Federmäppchen aus Öko-Baumwolle oder sogar Zuckerrohrfasern sind keine Seltenheit mehr.
„Wichtig ist, das Bewusstsein generell zu schaffen, dann kann man auch mal nachgeben“
And the winner is: Secondhand
Egal ob es sich um Spielsachen, Kleidung, Möbel oder sonstige Kindersachen handelt: Secondhand ist immer die nachhaltigste Option. Du vermeidest auf diesem Weg Müll, schonst Ressourcen und sparst Geld. Gerade Babys und Kleinkinder wachsen so schnell, dass ihre zu klein gewordene Kleidung oft noch perfekt in Schuss ist. Möglichkeiten, sich Kindersachen „im Kreis“ weiterzugeben, gibt es viele, sei es in der Nachbarschaft, in Freundeskreis oder Familie oder auch in speziellen Gruppen in den Sozialen Medien. Oder eben auf die althergebrachte Art, in Secondhand-Läden und auf dem Flohmarkt.
Wie überzeuge ich die Kinder?
Die heutigen Kinder sind oft in Umweltsachen schon viel weiter als ihre Elterngeneration.
Wer dieses Verhalten fördern will, erreicht das am besten durch Vorleben und Kompromissbereitschaft. Wenn Kinder eine Maßnahme partout nicht mitmachen wollen, es eben doch der angesagte und nicht der Öko-Rucksack sein soll oder die Kinder keine Lust mehr auf die abgelegten Kleider ihrer Cousinen haben, sollte man sie nicht zwingen. Wichtig ist, das Bewusstsein generell zu schaffen, dann kann man auch mal nachgeben.
4 Tipps für ein nachhaltigeres Leben mit Kindern
1. Spielzeug ausleihen statt kaufen
Das bringt mehr Abwechslung ins Spiel und sorgt gleichzeitig dafür, dass das Haus nicht von Spielzeug geflutet wird.
2. Pflanze zusammen mit Kindern etwas an
Ein gemeinsam angelegter Naschgarten ist für alle Kinder spitze. Sie erleben den Prozess „Säen, Pflegen, Ernten“ komplett mit und wissen, was für Arbeit mit allem verbunden ist, das sie tagtäglich essen.
3. Strohhalme, aber bitte nachhaltig
Kinder lieben Strohhalme. Statt der verbotenen Einwegstrohhalme bieten sich welche aus Edelstahl, Nudelteig oder Apfeltrester an.
4. Mikro-Abenteuer
Ein Nachmittag ganz ohne Spielzeug im Wald? Das ist für die Kinder oft aufregender als mit Mini-Feuerwehr-Autos durch die Wohnung zu rasen. Ameisen beobachten, ein Tipi aus Totholz bauen, schnitzen: Natur macht Spaß.
Vera schreibt für uns remote vom Tor zu Patagonien/Chile aus. Dort ist sie als echter Outdoor-Fan genau richtig: Ob im Urwald, auf Lavafeldern oder am Pazifikstrand, Vera hält immer Ausschau nach kleinen Naturschätzen, erstaunlichen Details und kreativen Ideen. Kein Wunder, dass sie bei uns am liebsten über Travel, Nachhaltigkeit und spannende Menschen schreibt.