Den Alltag in einem landwirtschaftlichen Betrieb hautnah erleben? Mit Agrotourismus profitieren davon auch die Landwirt:innen. Wir erzählen dir, was dahinter steckt.
Zufrieden lässt Frangiskos Karelas den Blick über seinen 20 Hektar großen Olivenhain schweifen. Rund 1.000 Olivenbäume reihen sich hier aneinander, unter einigen von ihnen liegen Netze. Sie sollen die Oliven auffangen, die Frangiskos gleich mit seinen Helferinnen und Helfern ernten wird. An manchen Bäumen stehen schon Leitern bereit, um die Früchte zu pflücken. Es kommen auch Rechen zum Einsatz, mit denen Frangiskos und sein Team die Oliven vom Boden aus ernten. Neben seinen Olivenbäumen widmet Frangiskos einer kleinen Gruppe von Leuten auf der Plantage besondere Aufmerksamkeit. Er erklärt ihnen, wie sie die Oliven ernten, sodass die Früchte möglichst nicht beschädigt werden. Viele von ihnen sind das erste Mal bei einer Olivenernte dabei. Sie verbringen ihre Ferien auf dem Bauernhof von Frangiskos – und nutzen die Zeit, um in den Alltag auf dem Hof einzutauchen.
Agrotourismus: Urlaub machen und anpacken
Agrotourismus heißt diese Art des Urlaubs. Dabei verbringen Menschen ihre Ferien in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Das kann ein Bauernhof sein, aber auch ein Reiterhof oder Winzerhof. Neben Ruhe und Erholung haben Reisende die Möglichkeit, sich aktiv an den Arbeiten des Hofs zu beteiligen. Sie können zum Beispiel bei der Ernte helfen, die Tiere füttern, Kühe melken, Pferde ausreiten, Obst- und Gemüsegärten pflegen, Lebensmittel wie Käse, Honig oder Wein herstellen oder Brot für das Hof-Café backen. So können Reisende während ihres Urlaubs auf dem Bauernhof dem stressigen Alltag entfliehen, sich mit der Natur verbinden und nebenbei noch Nützliches über Landwirtschaft und die Produktion von Lebensmitteln lernen. Aber auch für die Landwirtinnen und Landwirte ist diese Form des Tourismus wichtig. Denn oft reicht die Landwirtschaft alleine nicht mehr aus, um die Höfe zu finanzieren. Der Agrotourismus ist eine zweite Einnahmequelle und trägt dazu bei, das Überleben landwirtschaftlicher Betriebe und ländlicher Gemeinden zu sichern. Mittlerweile ist Agrotourismus neben Obst, Milch und Wein zur vierten tragenden Säule der Landwirtschaft geworden. Und auch der regionalen Tourismuswirtschaft kommen die Gäste auf den Bauernhöfen zugute.
Agrotourismus soll bestimmten Richtlinien folgen
Um klar zu definieren, was Agrotourismus ist, fand 2018 der weltweit erste internationale Agrotourismus-Kongress in Bozen statt. Organisiert wurde er vom Forschungsinstitut „Eurac“. 250 Fachleute, Forscher:innen des Instituts, Interessensvertreter:innen und Politiker:innen versuchten Richtlinien festzulegen, um Agrotourismus von anderen Tourismusformen zu unterscheiden, aber auch um die Authentizität der Bauernhöfe zu schützen. Die Ergebnisse hielten sie in einem Leitfaden fest. So sollen Landwirt:innen zum Beispiel nur von Agrotourismus sprechen, wenn sie auf ihren Ferienhöfen mehr Zeit in die Landwirtschaft als in den Tourismus investieren. Außerdem soll der Agrotourismus ergänzend zur landwirtschaftlichen Tätigkeit erfolgen und den Ablauf der Landwirtschaft nicht stören. Der Leitfaden legte den Grundstein für eine einheitliche Regelung des Sektors auf europäischer und internationaler Ebene – die gibt es bislang nämlich nicht. Der zweite Kongress ist für Mai 2024 geplant. Im April dieses Jahres wird außerdem das „Global Agrotourism Network“ offiziell seine Arbeit aufnehmen. Dabei handelt es sich um ein internationales Netzwerk an Akteur:innen im Agrotourismus. Dazu zählen zum Beispiel Landwirt:innen, Reiseveranstalter oder Regierungsbehörden. Das Ziel des Netzwerkes ist es, Agrotourismus weltweit zu fördern und auszubauen.
Auf Frangiskos Bauernhof versinkt derweil langsam die Sonne hinter den Olivenbäumen. Der Hof befindet sich inmitten der Wildnis auf der griechischen Halbinsel Peleponnes, umgeben von den Gebirgsketten Parnonas und Taygetos. „Eumelia“ hat er den Hof getauft, das bedeutet „Harmonie“. Denn seine Farm betreibt er im Einklang mit der Natur, alles läuft hier Hand in Hand. So hat er zum Beispiel Weinreben, Mandel-, Pinien- und Zypressenbäume zwischen die Olivenbäume gepflanzt. Sie schützen die Olivenbäume vor kalten Winden, so dass die Plantage nicht zusätzlich bewässert werden muss. Stolz blicken Frangiskos Gäste auf die Ausbeute des heutigen Tages: Dutzende Körbe voller schwarzer Kalamata-Oliven stehen vor ihnen. Morgen wird Frangiskos ihnen zeigen, wie er die Oliven trocknet und aus den Früchten sein Bio-Olivenöl herstellt.
Noch mehr Ferien auf dem Bauernhof
Du hast Lust, deinen nächsten Urlaub im Einklang mit der Natur und bei frischer Luft auf einem Bauernhof zu verbringen? Auch diese landwirtschaftlichen Betriebe bieten Agrotourismus an.
Ferienhof 1 – Le Colombié in Frankreich
Mitten in der Natur im Südwesten Frankreichs lädt der Bauernhof Le Colombié zu einem Urlaub auf dem Land ein. Hier leben neben Hunden und Katzen auch Enten, Hühner, Schafe und Pferde. Der Hof befindet sich schon seit vielen Jahrzehnten im Besitz der Familie von Arne Thies, 1990 hat er den Betrieb mit seiner Frau Silke übernommen. Den beiden studierten Landschaftsökolog:innen liegt der Schutz der Natur am Herzen. So haben sie zum Beispiel Solarkollektoren installiert, um einen Teil des Stroms nachhaltig zu produzieren. Der Bauernhofgarten wird zu 100 Prozent biologisch betrieben und das Anwesen verfügt über eine eigene Wasserquelle.
Gäste sind dazu eingeladen, während ihres Urlaubs am Bauernhofleben teilzunehmen, die Tiere zu füttern, Pferde zu reiten oder Hühner zu hüten. Aber auch sonst gibt es genügend Aktivitäten rund um den Hof: Du kannst das große Gelände mitsamt des Wildteichs entdecken, im Pool schwimmen gehen oder Tennis auf dem Tennisplatz spielen. Was die Unterkunft betrifft, haben Silke und Arne vier kleine Ferienhäuser im Angebot, in denen bis zu acht Personen Platz finden.
Ferienhof 2 – Zitronengarten „Giardino di Vigliano“ in Italien
In der Nähe der italienischen Stadt Sorrent, unweit von Neapel, liegt der Hof „Giardino di Vigliano“ der Familie Nunziata. Vor rund 20 Jahren haben sie ihre Türen auch für Gäste geöffnet und vermieten seither sieben Zimmer. Das Herzstück des Betriebs ist der zwei Hektar große Zitronengarten. Hier baut die Familie neben ovalen „Sorrento-Zitronen“ auch Orangen und Mandarinen an – und zwar noch auf traditionelle Weise, mit Pergolen aus Kastanienholz.
Gäste können während ihres Urlaubs alles über den Anbau der Zitronen lernen, auf der Plantage mithelfen und erfahren, wie aus den gelben Früchten der berühmte Limoncello hergestellt wird. Auch für Aktivitäten außerhalb des Ferienhofs hält die Gegend viele Angebote bereit. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Tagesausflug nach Capri, an die Amalfiküste oder nach Pompeji?
Ferienhof 3 – Finca „Perola“ in Spanien
Seit vier Generationen befindet sich die Finca Perola auf Mallorca im Besitz der Familie Oliver. Seit 1996 bieten sie auch die Möglichkeit an, Urlaub auf dem Hof zu machen. Es gibt hier einen Orangenhain, Hühner und Schafe, ihre Landwirtschaft betreiben die Olivers komplett ökologisch. Die Energie bezieht die Finca über Solarpaneele.
Als Unterkunft stehen sechs Zimmer zur Verfügung. Jeden Morgen gibt es ein hausgemachtes Frühstück, teilweise mit Produkten direkt vom Ferienhof wie frisch gepressten Orangensaft oder Marmeladen. Du kannst auf dem Orangenhain mithelfen, die Tiere versorgen – oder dir von Miquaela zeigen lassen, wie man eine echte spanische Tortilla backt. Wenn du mal ausspannen möchtest, kannst du auch die Sonne am Außenpool genießen, oder zum 15 Kilometer entfernten Strand fahren.
Ferienhof 4 – Casa Farola in Granada
Die Finca von Anja und Charlie befindet sich an der Costa Tropical im Süden Spaniens in der Provinz Granada. Auf rund 30.000 Quadratmetern Land bauen die beiden dort Avocados, Chirimoyas und Oliven biologisch an. Außerdem leben auf dem Hof freilaufende Hühner und zwei Esel, die sich um die Unkrautbekämpfung kümmern. Du kannst bei der Olivenernte helfen, die Esel füttern oder im Gemüsegarten aushelfen. Oder du entspannst ein paar Stunden im Pool, machst einen Tagesausflug an die umliegenden Strände und Buchten, besuchst die Alhambra in Granada oder spazierst durch den Naturpark El Torcal.
Katrin hat in Berlin Publizistik studiert und schreibt seit drei Jahren als Redakteurin im Lifestyle-Bereich. Wenn sie nicht gerade die weite Welt bereist, übt Katrin Kopfstand auf ihrer Yogamatte, oder ist auf der Suche nach den neuesten Innovationen und Health-Trends. Deshalb schreibt sie bei kronendach für die Rubriken Travel, Mindfulness und Zeitgeist. Nach Feierabend findet man sie meistens mit einer Matcha Latte in der Hand durch die Straßen Hamburgs spazieren.