Der Gartenbauer Tim Smit hat einen Schutzraum für Pflanzen erschaffen – und gleichzeitig eine der wichtigsten Attraktionen Südenglands. Was dahinter steckt, erfährst du hier.
Routiniert bahnt sich der 68-jährige Gartenbauer und Archäologe Tim Smit seinen Weg durch den Regenwald. Er läuft vorbei an Palmen, Kakaobäumen und Baobab-Bäumen, an der fleischfressenden Kannenpflanze, der grünlich-blauen Jade-Rebe und Bananenstauden. Die Temperaturen liegen bei rund 30 Grad, die Luft ist schwül und feucht. Tim ist froh, als er an einem Wasserfall vorbeikommt und sich ein paar Tropfen sein Gesicht kühlen. Für einen Moment schließt er die Augen und hört dabei zu, wie das Wasser auf den Boden prasselt.
Das Eden Project: Heimat von rund 5.000 Pflanzenarten
Der Regenwald, durch den Tim spaziert, wächst mitten in Cornwall im Süden Englands, rund acht Kilometer nordöstlich der Kleinstadt St. Austell. Er ist Teil des „Eden Projects“, das Tim 1995 ins Leben gerufen hat. Dabei handelt es sich um einen botanischen Garten, der etwa 5.000 seltene Pflanzenarten beheimatet. Besonders vom Aussterben bedrohte, seltene und alte Pflanzenarten baut Tim mit seinem Team hier an. „Pflanzen sind wunderbar“, sagt er. „Nur weil sie nicht singen, nicht tanzen und keine Witze erzählen können, schauen wir sie nicht aufmerksam genug an.“ Mit dem Eden Project wollte er das ändern.
Schon die zwei Gewächshäuser, in denen die Pflanzen wachsen, ziehen die Blicke auf sich. Sie sind derzeit die größten der Welt. Jedes Gewächshaus setzt sich aus vier Kuppeln zusammen, die jeweils bis zu 50 Meter hoch und 100 Meter breit sind. Sie bestehen aus einem transparenten Kunststoffmaterial und sehen aus wie Seifenblasen, die aus dem Boden wachsen.
Im großen Gewächshaus breitet sich in tropisch-feuchtem Klima der Regenwald aus. Das Gewächshaus ist etwa so groß wie das deutsche Bundeskanzleramt und bildet damit den größten Indoor-Regenwald Europas. Schon allein hier sind 1.000 Pflanzenarten zuhause. Im etwas kleineren Gewächshaus wachsen in subtropisch-trockenem und mediterranen Klima Pflanzen und Früchte aus der Mittelmeerregion, Kalifornien, West-Australien und Südafrika.
Auch um die Gewächshäuser herum erstrecken sich auf einer Fläche zweieinhalbmal so groß wie der Leipziger Hauptbahnhof verschiedene Gärten mit 3.000 Pflanzenarten. Hier wachsen Gemüse, Heilpflanzen und Blumen aus der ganzen Welt.
Im Eden Project lernen Besucher:innen Wissenswertes über Pflanzen
Neben den Pflanzen gibt es unter anderem ein interaktives Informationszentrum zu Themen wie dem Ökosystem, Evolution, Klimawandel und natürlichen Ressourcen zu entdecken. Außerdem vermitteln beschilderte Pfade und Führungen Wissen darüber, wie Pflanzen in der Medizin genutzt werden oder was sie für die Umwelt bedeuten. „Ich möchte unter dem Deckmantel ‚Spaß‘ eine wichtige Botschaft vermitteln“, sagt Tim: „Wir sind Teil der Natur und sollten uns nicht aufführen, als wären wir irgendwie besonders. Wir werden uns selbst auslöschen, wenn wir nicht lernen uns in dem Rahmen zu bewegen, den die Erde aufgestellt hat.“
Den Garten betreiben Tim und sein Team so ressourcenschonend wie möglich. Energie liefern Solarpaneele, zur Bewässerung dient aufgefangenes Regenwasser. Außerdem entsteht auf dem Gelände des Eden Projects eine Geothermie-Anlage. Hierbei wird Energie aus der Wärme unterirdischer Gesteinsschichten gewonnen. Tim plant, zunächst die Gewächshäuser des Projekts damit zu betreiben. In ein paar Jahren soll die gewonnene Energie auch die umliegenden Haushalte mit Strom versorgen.
Das Eden Project ist aus einer Lehmgrube gewachsen
Dort, wo heute das Eden Project blüht, erstreckte sich früher eine 60 Meter tiefe, stillgelegte Kaolingrube, die zum Abbau von Tonerde genutzt wurde. „Am Anfang war die Vision sehr einfach – lasst uns einen Ort völliger Verwahrlosung einnehmen und dort Leben schaffen“, erinnert sich Tim. Im Jahr 1995 kam ihm zum ersten Mal die Idee für das Projekt. Er fuhr auf der Autobahn in der Nähe von St. Austell und sah von Weitem den Berg aus Tonerde, der sich neben der Kaolingrube erhob. „Es sah aus wie der Krater eines Vulkans“, sagt er. „Ich war fasziniert von der Idee, eine Zivilisation in einem Krater zu errichten. Und damit den Menschen zu zeigen, dass nichts für immer verloren ist.“
Sechs Jahre, zahlreiche Gespräche mit Investoren und 83.000 Tonnen aufgeschüttete Erde später, öffnete das Eden Project dann seine Tore. Im ersten Jahr besuchten 1,2 Millionen Menschen den botanischen Garten im Vereinigten Königreich, bis heute ist das Projekt eines der wichtigsten Attraktionen im Süden Englands. „Unser Ziel ist es, die Menschen mit der Natur zu verbinden, damit sie verstehen, dass es unverzichtbar ist, sie zu schützen“, sagt Tim. „Was ich möchte, ist, dass die Menschen hierherkommen und nachdenklich wieder gehen.“
Noch mehr Dschungel-Feeling: Die Indoor-Regenwälder Europas
Um durch einen Regenwald zu spazieren, musst du nicht extra in die Tropen fliegen. Indoor-Regenwälder wie im Eden-Project findest du in ganz Europa. Schau dir doch einmal diese Dschungelwelten an.
1. Das Tropenhaus in Berlin
Das Tropenhaus im botanischen Garten in Berlin gehört zu den größten Gewächshäusern der Welt. Es wurde bereits 1907 eröffnet und nach seiner Zerstörung im zweiten Weltkrieg in den 1960er Jahren wieder aufgebaut. Hier kannst du die Pflanzenwelt der Regenwälder Amerikas, Afrikas, Australiens und Asiens erkunden.
2. El Bosc Inundat in Barcelona
Im Tropenhaus des CosmoCaixa, dem wissenschaftlichen Museum von Barcelona, kannst du in den Regenwald des brasilianischen Amazonasgebiets eintauchen. Bis zu 30 Meter hohe Bäume wachsen hier. „El Bosc Inundat“ heißt der Indoor-Regenwald, das bedeutet übersetzt „der überflutete Wald“. Denn alle 15 Minuten fällt im Gewächshaus tropischer Regen.
3. Tropenhaus in Zürich
Im Botanischen Garten der Universität Zürich breitet sich in zwei kuppelförmigen Gewächshäusern tropischer Tieflandregenwald und tropischer Bergwald aus. Letzterer wächst ab rund 1.000 Metern über dem Meeresspiegel. Wenn du durch die Dschungelwelten spaziert bist, kannst du in einer dritten Kuppel auch die Vielfalt tropischer Trockengebiete bestaunen.
Katrin hat in Berlin Publizistik studiert und schreibt seit drei Jahren als Redakteurin im Lifestyle-Bereich. Wenn sie nicht gerade die weite Welt bereist, übt Katrin Kopfstand auf ihrer Yogamatte, oder ist auf der Suche nach den neuesten Innovationen und Health-Trends. Deshalb schreibt sie bei kronendach für die Rubriken Travel, Mindfulness und Zeitgeist. Nach Feierabend findet man sie meistens mit einer Matcha Latte in der Hand durch die Straßen Hamburgs spazieren.