Viele achten im Alltag schon auf eine nachhaltige Lebensweise, aber wie funktioniert das im Urlaub? Was bedeutet es, verantwortungsbewusst zu reisen? Umweltfreundliche Reise-Hacks und Tipps, die dir helfen, bewusster zu reisen
Es ist Corona-Winter und Julia-Maria Belsin träumt sich fort. Sie ist gerade hochschwanger. Der Oekom Verlag hatte sie angefragt, ein Buch über grünes, nachhaltiges Reisen zu schreiben. Für Julia-Maria wurde damit ein Traum wahr, denn nachhaltig zu Reisen war schon vor der Pandemie ein Herzensthema für sie. Ob zu Fuß, mit der Bahn oder dem Boot – Julia hatte schon manches Abenteuer erlebt. So lief sie unter anderem den Jakobsweg.
Trotz Quarantäne, Schwangerschaftswehwehchen und noch wenig Ahnung über das Autorinnen-Business machte sie sich an die Arbeit. Zu dem Zeitpunkt war ein Schreibplan unmöglich, denn Homeoffice und Homeschooling ließen wenig Platz. An Wochenenden und Feiertagen fand sie Zeit und immerhin lud das Wetter sowieso nicht ein, vor die Tür zu gehen.
Den Final Countdown bestimmte ihre noch nicht geborene Tochter Helene. Julia hatte den Ehrgeiz, das Manuskript abzugeben, bevor Helene auf die Welt kommt. Die letzten Änderungen hat sie mit dem Baby in der Trage gemacht. So wurde manches Mal der Wickeltisch zu Julias Schreibtisch. Da sie selbst zu dem Zeitpunkt noch keine Erfahrungen mit dem Rad oder dem Wasser gesammelt hatte, interviewte sie für ihr Buch noch viele weitere Expert:innen. Allen Herausforderungen zum Trotz – herausgekommen ist ein Werk mit 191 Seiten: „Green travelling“. Wer jetzt schon mal in die Möglichkeiten des Reisens mit einem kleinen ökologischen Fußabdruck hineinschnuppern will – für den haben wir hier die wichtigsten Tipps:
Dein Urlaubsziel – Werde zum Touristen im eigenen Land
Während der Corona-Pandemie und den daraus folgenden Reisebeschränkungen haben bereits viele Menschen die Vorteile des Urlaubs vor der eigenen Haustür entdeckt. Das ist eine positive Entwicklung für das nachhaltige Reisen. Im Vergleich zur Flugzeugreise ist der Zug- und Busverkehr im Inland viel klimafreundlicher und häufig auch schneller. Oft vergessen wir, dass Deutschland Strände an Ost- und Nordsee, der Elbe oder dem Main hat und viele türkisblaue Seen wie den Tegernsee, den Chiemsee, den Bodensee oder die Müritz oder den Plauer See besitzt. An der Nordsee kannst du sogar Wellenreiten, entspannt im Strandkorb liegen und den Sonnenuntergang genießen. Ein Kurzurlaub für zwischendurch – ganz ohne weite Wege.
Das Anreise-Abenteuer
Anreise mal anders – wie wäre es, mit einem E-Bike das Land zu durchqueren, mit dem Rucksack am Rhein entlang zu wandern oder den Fluss mit einem Kanu zu überqueren? Wem das zu anstrengend ist, kann auch nachhaltig reisen mit einem Camper und somit die Anreise zu einem Abenteuer machen. Für viele Reisende ist eine mehrstündige Zugfahrt entspannend, anderen kommen beim Vorbeiziehen der Landschaften die besten Ideen.
Du hast bereits die schönsten Ecken Deutschlands gesehen und willst unbedingt weiter weg in die Sonne? Bei Fernreisen gilt, lieber einmal drei Wochen in den Urlaub fahren als dreimal nur eine Woche, dann hast du auch mehr Zeit vor Ort, die Kultur und Menschen kennenzulernen. Die An- und Abreise machen den größten Teil der CO₂-Bilanz eines Urlaubs aus. Wenn du weite Strecken zurücklegen musst und ein Flug unumgänglich ist, solltest du einen Direktflug wählen, dadurch entfallen die zusätzlichen Starts und Landungen, die besondere Kerosinfresser sind. Ein Emissionsausgleich versteht sich bei der Buchung von selbst.
Nachhaltig aufwachen
Große Hotels verbrauchen im Vergleich zu kleineren Hostels oder Ferienwohnungen meist deutlich mehr Energie, Wasser und Abfall. Aus diesem Grund solltest du sie meiden, um nachhaltig zu reisen. Eine weitere Möglichkeit sind Campingplätze und Bauernhöfe, da wird der Urlaub zur Erlebnisreise!
Hotels, die sich auf Umweltfreundlichkeit spezialisiert haben, verfügen über Nachhaltigkeitssiegel oder Zertifikate. Eine Übersicht über die zwanzig führenden Tourismus-Nachhaltigkeitssiegel findest du hier – samt nachhaltigen Unterkünften.
Nachhaltigkeits-Hacks für die Hotelübernachtung
Wenn du in ein (nachhaltiges) Hotel eincheckst oder bei einem Businessstrip ein Hotelzimmer für dich gebucht wurde, kannst du auch dort mit kleinen Tricks etwas nachhaltiger reisen.
Hänge das „Bitte nicht stören“-Schild an deine Zimmertür, dadurch wird eine unnötige Reinigung, häufiges Wäschewaschen oder Staubsaugen vermieden. Wenn du die benutzten Handtücher aufhängst, werden sie vom Personal nicht sofort gewaschen, das spart Energie. Bringe dein eigenes Shampoo und ein Stück Seife mit, dann können die oft vorhandenen Gastgeschenke eingepackt bleiben.
Gibt es elektronische Geräte, die du nicht nutzt und auf Standby laufen: einfach Stecker ziehen – etwa beim Fernseher.
Ich packe meinen Koffer und nehme mit …
An deinen Urlaubsort solltest du versuchen, möglichst wenig Plastikverpackungen zu kaufen. Du kannst deine Hygieneartikel ganz einfach zu Hause in ein Fläschchen abfüllen und mitnehmen. Eine Thermoflasche eignet sich wunderbar, um sich vor Ort Wasser oder Kaffee abzufüllen, das spart sogar Platz im Gepäck. Auf lokalen Märkten kannst du das Gemüse direkt in einem mitgebrachten Jutebeutel verstauen, dadurch musst du kein eingepacktes Gemüse im Supermarkt kaufen. Außerdem machen das Handeln und der Austausch mit den Einheimischen viel mehr Spaß als der Gang zum Supermarkt.
Esse wie ein “Local“
Nachhaltiges Reisen hat nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Komponente. Viele Länder sind stark vom Tourismus abhängig und leiden umso mehr unter der Pandemie. Nutze daher Führungen oder Angebote von Einheimischen, anstatt von den großen kommerziellen Anbietern. Dasselbe gilt für die Verpflegung: Höre dich um, welche Restaurants besonders bei den Menschen, die dir leben, beliebt sind – dazu lohnt es sich, etwas abseits der ausgetretenen Touristenpfade unterwegs zu sein. Saisonale und regionale produzierte Lebensmittel stärken nicht nur die heimische Wirtschaft, sondern bringen Reisenden auch die lokale Esskultur näher.
Urlaub abseits des Massentourismus
Um Massentourismus zu vermeiden, kannst du antizyklisch reisen, das heißt, beliebte Regionen in der Nebensaison zu besuchen. Die Reiseziele sind dann nicht nur leerer, sondern auch günstiger. Häufig sind die Dörfer und Städte, die abseits der beliebten Instagram-Spots liegen, viel authentischer und besitzen ihren eigenen Charme. Es lohnt sich also, von den touristischen Pfaden abzuweichen. Hilfreich ist auch ein Blick in etwas alternative Individual-Reiseführer.
Genieße die Natur, störe sie nicht
Beim nachhaltigen Reisen ist es wichtig, die Tipps und Hinweise der Menschen vor Ort zu beachten, besonders in Bezug auf die Pflanzen- und Tierwelt. Nimm lieber an einer geführten Tour statt, als dich auf eigene Faust in ein Naturschutzgebiet zu begeben und möglicherweise zu verlaufen.
Sei kein Kulturbanause
Nachhaltig Reisen bedeutet auch, die Kultur des Urlaubslandes wertzuschätzen. Du solltest dich daher an die Bekleidungsrichtlinien zum Beispiel in Tempeln und Kirchen richten. Begegne den Einheimischen respektvoll und frage, bevor du jemanden fotografierst. In einigen Museen ist es zum Beispiel nicht erlaubt, von kulturellen Gegenständen eine Aufnahme zu machen.
Immer schön vorbildlich
Besonders Wildcampern wird häufig nachgesagt, dass sie ihren Müll und Toilettenpapier überall in der Natur zurücklassen. Hinterlasse den Platz so wie du ihn vorgefunden hast, entsorge den Müll richtig und hilf mit, das Bild der rücksichtslosen Touristen zu verbessern. Beim nachhaltigen Reisen produzierst du am besten so wenig Müll wie möglich.
Nachhaltig reisen mit Kindern: so simpel
Es ist ein Mythos, dass nachhaltig Reisen mit Nachwuchs anstrengend ist, ganz im Gegenteil: Besonders Kindern macht das oftmals großen Spaß. Anstatt einen Freizeitpark oder eine Tiershow zu besuchen, könnt ihr als Familie eine Fahrradtour machen, zelten oder in den schönsten Seen schwimmen. Wettbewerbe wie „Wer macht am wenigsten Müll“ sind unter Kindern sehr beliebt – auch mal eine Müll-Rallye, etwa am Strand oder in Naturschutzgebieten. Dafür Gartenhandschuhe und Mülltüte nicht vergessen.
Wie nachhaltig reisen die Deutschen?
Eine repräsentative Umfrage von Statista.de zeigt: Etwa die Hälfte aller Deutschen sind am nachhaltigen Reisen interessiert, jedoch reisen tatsächlich nur etwas weniger als 10 Prozent wirklich nachhaltig. Als Gründe dagegen nennen die meisten Bequemlichkeit, Wissenslücken, geringe Transparenz bei Veranstaltern und Siegel.
Ein gutes Mittelmaß ist der Weg zum nachhaltigen Tourismus. Nicht jeder liebt Camping und ein Kanu darf bisher nicht mit in den Zug, doch bereits mit kleinen Veränderungen und der Auswahl einer nachhaltigen Unterkunft kannst du bereits nachhaltiger reisen. Ebenfalls ist der Austausch über die Möglichkeiten des nachhaltigen Reisens mit anderen Reisenden ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Nachhaltig reisen: 8 Tipps auf einen Blick
- Setze auf nachhaltige Transportmittel wie Züge, Busse, Mitfahrgelegenheiten oder ähnliches.
- Verzichte auf unnötiges Gepäck: Dein Motto lautet „Travel easy“.
- Suche nach nachhaltigen Unterkünften.
- Schone im Urlaub Ressourcen: Halte deinen Energie- und Wasserverbrauch so gering wie möglich.
- Vermeide Müll: Keine Einmalverpackungen nutzen, auf Mülltrennung achten.
- Vor Ort den öffentlichen Nahverkehr nutzen: Damit sparst du CO2-Ausstoß.
- Probiere, dich regional zu ernähren: Slow Food in lokalen, die auch Einheimische frequentieren – so erlebst du dein Reiseziel mit allen Sinnen.
- Respektiere die Einheimischen: Verhalte dich nach den örtlichen Gegebenheiten, Gebräuchen und Ritualen.