Pappmaché – eine feucht-klebrige Masse, die erst durch die Arbeit einer kreativen Hand Form und Sinn gewinnt. Künstlerin und Designerin Marie Michielssen modelliert seit Jahren in liebevoller Handarbeit Recycling Kunst aus Pappmaché: Unikate, die sich in ihrer erschaffenen Langlebigkeit dem nachhaltigen Gedanken annehmen.
„Form follows function“, das ist der Leitsatz eines jeden Designers. Doch was ist, wenn die Form ebenso dem Material folgt? Michielssen weiß, dass sich die endgültige Form ihrer Papier- Kunstwerke erst im Schaffen ergibt. Dafür verantwortlich ist vor allem das Material, das durch seine flexible Beschaffenheit Raum für kreative Formen bietet. Denn es ermöglicht dem Künstler, den Prototypen ganz nach dem eignen Willen zu modellieren, was die belgische Designerin besonders an der Arbeit mit der Papierknete schätzt. Auf maschinelle Hilfe verzichtet sie und setzt ausschließlich auf Handarbeit.
Inspiration zieht sie aus dem täglichen Leben
„Authentisch, erdig in Aussehen und Haptik sowie in Material und Farbe, voluminös und archetypische Formen, also Kreis, Quadrat, Rechteck“, so beschreibt Marie ihre Handwerkskunst in einem Interview mit „aspire design and home“. Inspirieren lässt sich die Frau in ihren Fünfzigern dabei vom Alltag, der vom Familienleben mit fünf Männern geprägt ist. Karriere und Liebe – zwei Bereiche, die schon früh auf ihrem Weg zur renommierten Designerin miteinander verschmolzen sind. 1995 gründete die ausgebildete Grafikdesignerin ihr eigenes Unternehmen und versuchte, ihre Upcycling-Deko-Objekte aus alten Blumentöpfen unter die Leute zu bringen. Auf der Suche nach einem Großhändler für ihre Kollektion traf sie auf den Firmeninhaber des belgischen Designlabels „Serax“, Axel Van den Bossche. Dieser nahm Marie nicht nur als Designerin in die Serax-Familie auf, sondern wurde im Laufe der Jahre auch zu ihrem Ehemann. Aus der Stadt ging es aufs Land, wo sie ihre vier Söhne großzog. Vor einiger Zeit traf sie mit ihrem Mann zusammen den Entschluss, zurück nach Antwerpen zu ziehen: „Die kreative Energie der Stadt ist für mich und meine Arbeit lebenswichtig“, gesteht die Künstlerin im Gespräch mit dem belgischen Magazin Elle Décoration.
Kontrastreicher Design-Stil: die unverkennbare Handschrift einer Künstlerin
Die Macherin setzt in ihrem Designprozess immer wieder auf natürliche wie auch ungewöhnliche Materialien, die für die meisten von uns in ihrer Rohheit keinen Bezug zu etwas Künstlerischem haben. Doch nicht nur die Materialien prägen die Werke von Marie. Ihre nahtlose Arbeit mit Kontrasten verleiht jedem ihrer Stücke eine maßgebliche Balance aus Spannung und Harmonie. Sie selbst beschreibt ihre erschaffenen Objekte als „eine Kombination von Gegensätzen – Ratio und Intuition, maskulin und feminin, grafisch und organisch.“ Weiter sagt die Kreatorin im aspire-Interview: „Meine Entwürfe scheinen mit Widersprüchen verwoben zu sein und bilden ein eklektisches Ganzes.“ Vielleicht ist es genau das, was die Designerin seit Jahren so erfolgreich macht.
Pappmaché: Aus Altpapier wird neuartige Recyclingkunst
Auch wenn die ausgebildete Grafikdesignerin mit noch anderen Werkstoffen wie Ton oder Beton arbeitet, ist es vor allem das Papier, das sie fasziniert – und das bereits seit ihrer Kindheit. Früher noch darauf gezeichnet, heute hundert Prozent recycelt: Neben dem umweltfreundlichen Aspekt der Wiederverwertbarkeit ist es die Arbeit mit dem Material an sich, die sie so begeistert. Denn zum Umgestalten braucht sie einzig und allein ihre Hände. Und dennoch besitzen ihre fertigen Pappmaché-Produkte eine solch raue Struktur, wie sie sonst häufig nur bei Skulpturen von Bildhauern vorzufinden ist. Aber letztlich bietet Papier mehr als eine Stein-Haptik nach dem Aushärten und auch mehr als „eine neutrale Grundlage für Farbe in allen Tönen.“ Papier wird in unserer Gesellschaft völlig unterschätzt und auf seine festgelegte Funktion reduziert. Sogar mehr als das: Für die meisten von uns ist es ein Material, das so wenig Wertigkeit hat, dass es für den Großteil unserer Bevölkerung nach einmaliger Nutzung im Müll landet. Dabei ist Papier deutlich vielseitiger als wir denken. Durch Künstler:innen wie Marie Michielssen bekommt Papier und anderer Abfall nicht nur einen völlig neuen Sinn eingehaucht, sondern Nachhaltigkeit einen kreativen Anstoß.
Design im Wandel: zurück zum Natürlichen mit Pappmaché
Seit mehr als 20 Jahren arbeitet sie als interne Designerin bei der Lifestyle-Marke Serax aus Antwerpen, welche Inneneinrichtungen, Wohnaccessoires und Geschirr verkauft. Mit ihren charaktervollen Handarbeiten hat sich Michielssen schon vor einiger Zeit einen Namen gemacht. Was ihre Entwürfe so begehrenswert macht? Die leidenschaftliche Kreatorin vereint Kunst mit Funktionalität und erschafft damit ästhetische Alltagsgegenstände. Zweimal im Jahr entwirft sie für Serax eine Kollektion wie zum Beispiel „Earth“ – eine Reihe an Töpfen und Leuchten hergestellt aus Pappmaché. „Bei meinen Interieur-Accessoires gehe ich oftmals von Materialien aus, die ich mit meinen Händen modellieren kann. Die Intuition, das Bauchgefühl, gewinnt dabei häufig die Oberhand. Meine erfolgreiche Earth-Kollektion aus Pappmaché ist das beste Beispiel dafür“, sagt die Künstlerin beim Gespräch mit aspire. Unebenheiten, die durch die Handarbeit entstehen, sind für die kreative Designerin alles andere als ein Problem. Vielmehr geben sie den ökologisch produzierten Stücken einen individuellen Charakter. Ihre Recyclingkunst ist ein Ausdruck des Natürlichen mit all den kleinen „Makeln“, die eben dazu gehören. „Back to nature“ – mit dieser Absicht bringt Marie frischen Wind in die Interieurszene und stellt sich damit gegen das Streben nach Perfektion, das sich in der Gesellschaft tief verankert hat.
Wenn die Form der Nachhaltigkeit folgt
Was sie mit ihren Entwürfen erreichen möchte? „Ich hoffe, dass mehr und mehr nachhaltiges Design in den Wohnungen der Menschen Einzug erhält, fort vom Wegwerfdesign. Für mich beginnt Nachhaltigkeit mit dem Designprinzip, etwas zu entwerfen, das eine lange Lebensdauer hat“, gesteht Marie im aspire-Interview. Die Belgierin achtet dabei nicht nur auf natürliche Werkstoffe. Im Vordergrund stehen ebenfalls zeitloses Design und nachhaltige Qualität. Denn erst diese Kombination erweckt den Willen, solch besondere Stücke weiterzugeben – davon ist fest überzeugt. So erschafft Marie immer neue Kunstwerke und Designobjekte aus recyceltem Material mit dem Ziel der Langlebigkeit. Oder kurz gesagt: Nachhaltige Designlösungen für die Zukunft!
4 Gründe für Pappmöbel
Pappe – mehr als nur Material zum Basteln und Karton zum Verstauen jeglicher Inhalte: Aus ihr lassen sich Möbel herstellen, die einiges zu bieten haben. Diese 4 Gründe sprechen für Pappmöbel im Eigenheim.
Grund 1 – leicht wie ein Karton, stabil wie Holz
Anders als die meisten von uns erwarten, steht Pappinterieur herkömmlichen Möbeln in Sachen Stabilität und Haltbarkeit nichts nach. Denn wie in Umzugskartons steckt auch in ihrem Inneren Wellpappe, die für eine enorme Tragkraft sorgt. Falttechniken beim Aufbau bieten zusätzliche Festigkeit. Bei sorgsamem Umgang können Möbel aus Pappe zwischen zehn bis fünfzehn Jahre in Gebrauch sein – vergleichbar mit der durchschnittlichen Lebensdauer von herkömmlichem Mobiliar. Selbst Wasser hält das Papierinventar für eine kurze Weile stand, ohne hässliche Flecken davonzutragen. Kleiner, aber entscheidender Unterschied: Pappmöbel wiegen im Vergleich zu Möbeln aus Rohstoffen wie Holz nahezu nichts.
Grund 2 – vielfältige Möbel in minimalistischem Design
So einfältig Pappe auf den ersten Blick erscheinen mag, so vielfältig ist sie einsetzbar. Ob als Regal, Bett oder Hocker: Möbel aus Pappe machen in jeglicher Form eine top Figur – wahlweise farbig oder im natürlichen Braunton eines Kartons. Was gleich bleibt, ist das schlichte Design, das sich dem minimalistischen Zeitgeist annimmt.
Grund 3 – Flexibilität macht mobil
Möbel aus Pappe bieten nicht nur wegen ihres geringen Gewichtes wahre Vorteile beim Umzug. Dank ihrer einfachen Falttechnik gelingt der Auf- und Abbau im Handumdrehen. Beim Bett, einem gigantischen Bogen aus Pappe zum Aufziehen, handelt es sich um einen überschaubaren Aufwand von nicht mal einer Minute. Aber auch Regale, Hocker und Tische sind innerhalb einer halben Stunde bereit für den Gebrauch. Dabei kommen Hilfsmittel wie Kleister und Werkzeugkiste in der Regel nicht zum Einsatz. Ist für eines der Pappmöbel im neuen Zuhause kein Platz, kann es einfach im Altpapier entsorgt werden. Damit sind Pappmöbel eine optimale Einrichtung für Menschen, die sich in ihrem Wohnsitz noch nicht festgelegt haben.
Grund 4 – nachhaltiger geht’s kaum
Allein im Aufbau sind Pappmöbel deutlich nachhaltiger als die Konkurrenz. Denn die meisten Konstruktionen brauchen keine weiteren Schrauben oder Kleister. Am Ende ist es aber das Material, das Pappmöbel so unschlagbar ökologisch macht: Die Pappe besteht aus 75 bis 95 Prozent Recyclingpapier und ist 100 Prozent recycelbar.