In München wird derzeit das Holzhybrid-Ensembles „Vinzent“ fertiggestellt. Das Projekt steht für eine zeitgerechte, grüne Bauweise und Architektur in innerstädtischer Lage. Doch hatte es zu Beginn mit so manchen Widerständen zu kämpfen. Heute ist es nicht nur ein Wegbereiter und Modellprojekt für nachhaltigen und ganzheitlichen Neubau. Es ist viel mehr.
So geht grünes Bauen in der Stadt
2019 formulierte das Team vom Projektentwickler „Bauwerk GmbH“ eine idealistische Vision. Man wolle dem Klimawandel als Teil der Baubranche adäquat begegnen. Das nächste Projekt soll so viele nachhaltige Aspekte wie möglich abdecken. Ein Hauptbaustoff soll Holz sein. Denn: Holz ist eine nachwachsende Ressource und bindet Kohlendioxid. Außerdem wird die Bauzeit verkürzt, da Holz bereits vorgefertigt geliefert wird. Die Fassaden sollen begrünt sein mit einem intelligenten und selbstversorgenden Pflanzsystem. Das spart Wasser, kühlt das Gebäude und reinigt die Luft. Der Hinterhof: ein grünes Biotop zur innerstädtischen Naherholung. Es soll eine Mischnutzung geben, aus Büro- und Wohneinheiten. Architektonisch so gestaltet, dass potenzielle Nutzungskonflikte vermieden werden. Was nicht fehlen soll: Car -und Bikesharing Angebote sowie E-Ladestationen.
Das klingt zu gut, um wahr werden zu können? Das glaubten einige Konkurrenten. Kommentare wie: „Ihr seid wohl wahnsinnig“ oder „Holzbau? Warum macht ihr das? Das lohnt sich doch nicht“, musste sich das Projektteam von „Vinzent“ noch 2019 anhören. Doch das tat dem Glauben des Teams an „Vinzent“ keinen Abbruch – im Gegenteil. „Wenn wir uns dem Thema Holzbau annehmen, dann wollen wir uns voll und ganz dem widmen. So, dass wir 100 Prozent dahinterstehen“, sagt der Architekt und Immobilienökonom Alexander Sälzle. Er ist Teil des Projektteam „VINZENT“. „Wir sahen hier, dass alles passt. An diesem Ort wird es eine Zielgruppe für dieses Projekt geben.“
Holz: der Baustoff der Zukunft – auch in Städten
Trotzdem stand das Team vor einigen Hürden. Die Gesellschafter mussten zuerst überzeugt werden. Ein Holzhaus zu finanzieren war für viele Banken Neuland und stieß auf Skepsis. Behördliche Zulassungsverfahren sind bei Holz viel komplexer als bei konventionellen Bauten. Die Kombination aus Holz und Begrünung der Fassaden war eine Tüftelarbeit für die Architekten und Entwickler – und die hat sich gelohnt: Bereits jetzt ist ein großer Teil der Wohnungen durch den Vorverkauf vergeben worden. Die Kunden sind begeistert: „Endlich gibt es die Möglichkeit ein Holzhaus nicht nur auf der grünen Wiese, sondern auch in der Stadt zu erwerben. Damit kann nachhaltiges Leben erstmalig mit den Vorzügen des Stadtlebens verbunden werden“, sagt Alexander Sälzle. „Vinzent polarisiert. Manche kaufen speziell deswegen, weil wir den Nachhaltigkeitsaspekt bedacht haben. Andere können sich nicht von ihren Vorurteilen lösen und sind daher zurückhaltend. Sie glauben, dass ein Holzhaus nicht so lange hält. Das es hellhöriger ist. Das es schneller abbrennt. Das stimmt nicht. Im Gegenteil – bei all diesen Themen ist Holz sogar im Vorteil. Da wartet noch viel Aufklärungsarbeit“, erklärt Sälzle und betont zusätzlich, dass es beim ökologischen Bauen um mehr geht als „nur“ um nachwachsende Rohstoffe.
Nachhaltiges Bauen ist mehr als natürliche Baustoffe
Für die Baubranche gilt nicht nur die Frage nach den Baumaterialien der Zukunft, sondern nach dem Wohnkonzept der Zukunft. Weg von schnellen, kurzfristigen Bau-Lösungen hin zu vorausschauendem Handeln.
Das Bauprojekt „Vinzent“ verkörpert dank Nachhaltigkeitsgrundsatz ein Plus an Komfort im Alltag. Jeder Stellplatz ist mit einer eigenen E-Ladestation ausgestattet. Car-Sharing-Angebote stehen jedem Bewohner zur Verfügung. Genauso im Angebot: E-Bike- und Lastenbike-Sharing, sowie 147 private Fahrradstellplätze und eine Wasch- und Reparaturstation für Fahrräder.
Das hauseigene Paketbox-System macht eine Paket-Annahme rund um die Uhr möglich. Persönliche Lieferungen werden sicher zugestellt.
Und: Der Innenhof ist ein grünes Hideaway – ein natürliches Biotop mit Obstbäumen, Kräutern, Zierpflanzen, Ruhe- und Aktivzonen sowie Spielflächen für die Kleinen verspricht hohe Wohlfühlqualität.
Für das „Vinzent“-Projektteam steht fest: das wird nicht ihr letzter Nachhaltigkeitsbau sein. Sie hoffen, dass sie damit auch andere inspirieren und das Projekt Pilotcharakter hat. Die Gefahr von zu viel Konkurrenz sehen sie nicht. Für sie ist mit Nachhaltigkeit und der bewusste Umgang mit Ressourcen auch mit einem Wandel zu einer kooperativen Unternehmenskultur verbunden. Mit ihrem Erfahrungsschatz wollen sie mehr Projekte befähigen, auf eine nachhaltige Bauweise zu setzen. Auch hat Vinzent an den bürokratischen Hürden gerüttelt. Alexander Sälzle glaubt fest, dass diese perspektivisch sinken. „Vinzent“ ist somit nicht nur ein Wegbereiter für grünes Wohnen und Arbeiten. Auch ist es ein praktisches Beispiel, wie Politik, Bürokratie und Wirtschaft sich neu ausrichten können, um dem Klimawandel durch grünes Bauen zu begegnen.
5 Tipps für ökologisches Bauen
Eine ökologische Bauweise ist gut für die eigene Gesundheit, die Umwelt, künftige Generationen – und die ersten Schritte sind ganz leicht.
1. Ökologisches Bauen startet mit der Ausrichtung des Gebäudes
Optimal ist eine Nord-Süd-Ausrichtung: So nutzt du die Sonne ideal als Licht- und Wärmequelle. Großzügige Fensterfronten nach Süden helfen dabei, weniger zu heizen. Kleine Fensterflächen auf der lichtarmen Nordseite sorgen für einen geringeren Wärmeverlust.
2. Naturdämmstoffe für nachhaltige Wärme
Statt Verbunddämmstoffe, deren Grundbestandteil Erdöl ist, bieten sich natürliche Dämmstoffe an: Holzfaser, Hanf, Jute, Schilf, Zellulose, Flachs, Stroh oder eine Hackschnitzel-Lehmkombination.
3. Nachhaltiges Heizen
Ob Wärmepumpe, Erdwärme, Solarheizung oder Pelletöfen: Eine nachhaltige Energiequelle zum Heizen bedeutet praktischen Umweltschutz.
4. Nachwachsende oder nachhaltige Baustoffe
Holzständerbauweise oder Massivholzhäuser sind voll im Trend. Aber auch „traditionelle“ Bauweisen kommen immer mehr in Mode: Lehmputz sorgt etwa für ein sehr gutes Raumklima. Fassadenfarben ohne Lösungsmittel und synthetischen Bestandteilen werden immer beliebter.
5. Möglichst wenig Fläche versiegeln
Regenwasser kann auf bebautem Land nicht versickern. Aber genau das ist für neue Grundwasserbildung wichtig. Also: Einfahrten, Terrassen oder Gartenwege am besten mit wasserdurchlässigen Belägen gestalten – etwa Natursteine mit Erdfugen, Rasengittersteine, Kies, Rindenmulch oder Ökopflaster.