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Architektur

Earthships – Architektur der Zukunft

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Die Baukunst erinnert zunächst eher an das Hobbit-Dorf aus „Herr der Ringe“ als an ein „echtes“ Zuhause. Abstrakt und surreal, Tor zu fantastischen Welten und nur für einen Abenteuertrip bewohnbar. Doch hinter der Earthship-Fassade steckt mehr: ein einzigartiges Gebäudekonzept.

Organische Wände, teilbegrünte Dächer, ein Bau, etwas verschlungen von der Natur: Von außen erscheinen Earthships häufig wie aus dem Boden gewachsene Häuser aus märchenhaften Geschichten. Für die meisten von uns kaum vorstellbar, ein solch von der Norm abweichendes Haus „zuhause“ zu nennen. Doch es ist mehr als ihre fabelhafte Erscheinung, die Erdhäuser so besonders macht: In und hinter den Fassaden steckt die volle Funktionsfähigkeit eines Selbstversorgers.

Michael Reynolds, Vater der Earthships

Ins Leben gerufen hat sie der US-amerikanische Architekt Michael Reynolds – und das bereits vor mehr als 40 Jahren. Von Fernsehberichten über problematische Weißblechdosen und großflächige Waldrodungen angeregt, entschied sich Reynolds für eine ganz neue Herangehensweise, Eigenheime zu bauen. Inmitten der Wüste New Mexicos erschuf er in den 70er-Jahren sein erstes Earthship-Haus. In der Namensgebung setzte der Architekt auf die Metapher eines vollausgerüsteten Schiffes, das auf dem stürmischen Ozean auch in Zukunft nicht untergeht. Vor einigen Jahren hat Reynolds eine Akademie gegründet, die jungen Architekt:innen dabei helfen soll, Gebäude im naturverbundenen Earthship-Stil zu entwerfen und bauen.

Treppe in einem Earthship
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Die in den Wänden integrierten Aluminiumdosen und Glasflaschen erscheinen in ihrer Anordnung wie Wandmosaike.

Michael Reynolds, Erfinder der Earthships
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Architekt Michael Reynolds, Erfinder der Earthships.

Was sind Earthship-Häuser?

Leere Aluminiumdosen, Glasflaschen und alte Autoreifen: Die vier Wände eines Earthships bestehen aus jeder Menge Müll. Von innen mit organischen Materialien wie Lehm ummantelt und an der äußeren Rückwand von einer dicken Schicht Erde bedeckt, ist der Abfall am Ende nicht mehr als solcher wahrzunehmen. Die Basis der Rückwände bilden mit Erde gefüllte und aufeinandergeschichtete Autoreifen. Sie dienen als thermaler Speicher und sind Teil des autonomen Heizsystems. Auch Wände aus Dosen können zu einer stabilen, haltbaren und klimabeständigen Gebäudekonstruktion beitragen. Ebenfalls gern in den Mauern eines solchen Recycling-Hauses integriert: Glasflaschen. Wie zu einem Mosaik angeordnet, werden sie zur Zierde und seichten Lichtquelle an Außen- und Innenwänden. Earthships bieten in ihrer Bauweise eine Möglichkeit, Müll in Hauswänden verschwinden zu lassen und knappe Ressourcen, die für den herkömmlichen Hausbau gebraucht werden, zu schonen. Neben dem nachhaltigen Gedanken ist die Kombination aus natürlichen Rohstoffen und Abfall eine günstige Methode, sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen – insbesondere mit der Aussicht auf dauerhaft stagnierende Betriebskosten.

Eingang zu einem Earthship
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Taos in New Mexico: Die Fassaden des Earthships bestehen aus organischen Materialien und Formen.

Earthship inmitten von Grün
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Inmitten von Grün steht dieses Earthship, das sich über seine Farbwelt hinaus der Natur annimmt.

Kunstvolle Bauten mit Sinn und Verstand: So funktioniert ein Earthship

Auch wenn die höhlenartigen Häuschen häufig wegen ihres ungewöhnlichen Äußeren auffallen, steht im Zentrum des Earthship-Konzeptes die Funktionalität: Denn ein solches Haus ermöglicht ein vollkommen autarkes Wohnen.

Regionaler Nahrungsanbau

Angefangen bei der Ausrichtung des Naturbaus: Die südliche Fassade ist dank der ganzheitlichen Verglasung Wärmezufuhr für Menschen und Pflanzen. Hinter der gläsernen Wand befindet sich in der Regel ein lichtdurchfluteter, länglicher Wintergarten, der zugleich die Funktion eines Flurs und Gewächshauses erfüllt. Durch die sonnenreiche Lage und die durchgezogene Fensterfront lässt sich das ganze Jahr über im Earthship Obst und Gemüse ernten. Ein weiterer Effekt des begrünten Durchgangs: Die Pflanzen regulieren die Raumluft sowie -temperatur. Das Earthship ist eine grüne Oase, die sowohl optisch als auch praktisch einiges hermacht.

Natürliche Klimaanlage

Insbesondere wenn es um die Raumtemperatur geht, folgen Earthships in ihrer Bauweise den physikalischen und biologischen Gesetzen. Die wärmende Energie der Sonnenstrahlen, die durch die südliche Fensterfront reinfallen, wandert hin zu kälteren Regionen wie der Hausrückwand. Dort wird sie in der circa drei Metern tiefen Mauer gespeichert. Kühlt es bei Nacht ab, gibt die Wand die aufgenommene Wärme wieder frei. Das Ergebnis: Selbst bei Minusgraden bleibt es im Inneren des Earthships angenehm temperiert. Im Sommer sorgen in der Erde eingebettete Installationen wie Luftrohre oder Ventilationsschächte mit Verbindung zu Frischluft für ein angenehmes Klima. Der warme Luftstrom von draußen wird dabei auf dem Weg ins Innere von der Erde abgekühlt. Ein natürliches System, das die Effizienz einer Klimaanlage besitzt.

Strom aus der Natur

Außerhalb, direkt über der südlich gelegenen Glaswand sind Solarpaneele angebracht. Die dort gewonnene Sonnenenergie wird in Batterien gespeichert, die dann das gesamte Earthship mit Strom versorgen. Eine weitere natürliche Stromquelle kann Windenergie sein.

Regenerative Wasserversorgung

Schwindende Ressourcen wie Süßwasserquellen werden zunehmend zum Problem für Mensch, Tier und Pflanze. Eine wahre Herausforderung, die sich Earthships stellen, indem sie dem Gedanken der Wiederverwertbarkeit folgen. So auch bei der Wasserversorgung, die in ihrem in sich geschlossenen und natürlichen Kreislauf vier Phasen durchläuft.

1. Von Witterung aufgefangenes Wasser wird gereinigt in das geschlossene Leitungssystem des Hauses geführt.

2. Wird Wasser genutzt, fließt es als sogenanntes „Grauwasser“ gefiltert in das Versorgungssystem der hauseigenen Pflanzen.

3. Das vom Indoor-Garten unverbrauchte Wasser wird zur Spülung der Toilette verwendet.

4. Dieses kann nach einer mikrobiellen Behandlung in einem septischen Tank für die Bewässerung der Außenanlage wiederverwertet werden.

Gewächshaus und Flur eines Earthships
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Flur, Wintergarten und Gewächshaus zugleich: Entlang der südlichen Glasfront ist ein Indoor-Garten angelegt.

Wohnbereich in einem Earthship
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Die Pflanzen im Haus gehören zum alltäglichen Leben mit dazu.

Earthship Tempelhof: das Hobbit-Haus in Deutschland

In unserem Zeitgeist ist Nachhaltigkeit schon seit Jahren verankert und bekommt mit jeder weiteren Ressourcenknappheit und zunehmender Verschmutzung größere Aufmerksamkeit. Es werden Lösungen gesucht – Earthship-Häuser sind Teil der Antwort. Kein Wunder, dass das Selbstversorger-Eigenheim weltweit Fuß fasst – im Bau angepasst an das dort vorherrschende Klima und der natürlichen Umgebung. Auch in Deutschland gibt es seit 2016 ein Earthship als Segment eines Wohnkomplexes. 150 Menschen haben sich als genossenschaftlich organisiertes Dorf in Schloss Tempelhof im Landkreis Schwäbisch Hall niedergelassen. Hier ist das Earthship umgeben von Bauwagen und Jurten, die als Rückzugsort fungieren. Das Earthship selbst beinhaltet auf 155 Quadratmetern Wohn- und Esszimmer, eine Küche, Duschen und Toiletten – alles Gemeinschaftsräume. Eine autark lebende Gemeinde, abseits der örtlichen Wasserversorgung. Dank gesetzlich verankerten hygienischen Richtlinien ist ein autarkes Wasserversorgungsystem in Deutschland nicht möglich. Das Erdschiff in Tempelhof ist jedoch mehr als nur in sich geschlossen nachhaltiges Wohnhaus: Wissenschaftlich begleitet dient es als Wegweiser für weitere Earthships in Deutschland, die sich dem mitteleuropäischen Umwelt- und Klimaverhältnissen annehmen.

5 Tipps in Sachen nachhaltigem Sanieren und Wohnen

Energie, Wärme und Wasser: Um nachhaltiger und effizienter zu wohnen, muss nicht gleich ein Earthship gebaut werden. Schon mit ein paar wenigen Sanierungsarbeiten im Eigenheim lässt sich einiges bewirken.

Tipp 1 – nachhaltig sanieren mit natürlichem Material

Bei einer nachhaltigen Sanierung gilt: Das Projekt steht oder fällt mit den Materialien. Denn umweltfreundliche Rohstoffe sind in der Regel hochwertiger und damit auch langlebiger. Wer die Wahl hat, sollte auf lokale oder auch recycelte Materialien zurückgreifen.

Tipp 2 – die richtige Dämmung macht das Wohlfühlklima

Mit einigen Handgriffen wird das Haus zur organischen Architektur – jedenfalls, was die Wände betrifft. Eine natürliche Dämmung ist gut für Umwelt und Gesundheit sowie in der Qualität. Diese sieben Baustoffe eigenen sich optimal zur Dämmung:

  • Zellulose – recycelt aus dem Papier unserer täglichen Zeitung.
  • Holz – nachhaltige Dämmung in Form von Hobelspänen oder Holzfaserplatten.
  • Hanf – besonders umweltfreundlich, da die Pflanze keinen Pestizideinsatz braucht.
  • Wärmedämmlehm – sorgt durch die Regulation der Feuchtigkeit für gutes Raumklima.
  • Kork – nachwachsender Rohstoff und auch in recycelter Form erhältlich.
  • Kokosfasern – resistent bei starker Witterung, Feuchtigkeit und Schädlingen.
  • Schafwolle – wegen der relativ hohen Rohdichte sowohl wärme- als auch schalldämmend.

Tipp 3 – effizientes Wärme-Konzept

An kälteren Tagen können Fußbodenheizung und Holzofen eine Ergänzung zur natürlichen Dämmung sein. Anders als Heizkörper verteilt eine Fußbodenheizung die Wärme gleichmäßiger und effektiver und senkt so den Energieverbrauch. Damit die Wärme nicht entweichen kann, sollten Fenster und Türen gut isoliert sein. Ebenfalls effizient heizen Holzöfen. Sie verbreiten sowohl Wärme im Raum als auch in den angrenzenden Räumlichkeiten.

Tipp 4 – Wasser marsch, aber nur mit Durchflussregulierung

Bis zu 30 Prozent des gesamten Wasserhaushaltes wird die Toilette runtergespült. Deshalb sind im Bad Durchflussregulierungen angebracht. Installiert in der Toilette als Doppelspülung oder im Duschkopf, können unnötige Wassermengen reduziert werden.

Tipp 5 – gemeinsam Sonne tanken

Solaranlagen lassen sich sowohl auf dem Dach eines Earthships befestigen als auch auf dem eines herkömmlichen Hauses. Doch wieso nicht ökologische Energieversorgung zum gemeinschaftlichen Projekt in der Nachbarschaft machen? Solaranlagen als Gemeinschaftsinvestition ist für die einzelnen Bewohner in der Anschaffung günstiger, während die Effizienz für alle Parteien steigt. Denn bei einer Solarthermie wird die Kapazität größer, wenn mehrere Wärmespeicher nebeneinander gebaut werden.

Wie mache ich mein Haus autark?

Vollkommen autark zu leben, ist in Deutschland derzeit eine noch recht schwierige Angelegenheit. Doch es gibt ein paar Maßnahmen, die eine unabhängige Lebensweise im Eigenheim unterstützen. Bei Strom und Energie ist es einfach: eine Solar-Anlage auf dem Dach oder in mobiler Version auf der Terrasse. Bei Erzeugnis von Wärme kann ebenfalls ein Holzofen helfen: Ein wassergeführter Kaminofen erwärmt nicht nur den Raum und die Wände des Gebäudes, sondern auch das Wasser. Doch autark zu leben, kann auch über die Energieversorgung hinaus gehen.

Ja, es stimmt, die hygienischen Richtlinien in Deutschland machen die autarke Versorgung von Wasser derzeit unmöglich. Doch lässt sich durch bestimmte Maßnahmen Wasser sparen, die über eine Regentonne im Garten hinaus gehen: Mit sogenannten Regenwasserzisternen kann der Regen aufgefangen werden, indem er über ein Fallrohr vom Dach in einen Filter geleitet wird. Dort wird das Wasser von Grobschmutz gereinigt und unterirdisch im Speicher gesammelt. Die Lage unter der Erde macht das Wasser frostsicher. Allerdings ist der nachträgliche Bau so einer Anlage nicht ganz preiswert.

Wer direkt ein Earthship á la Schloss Tempelhofen bauen möchte, kann Hilfe bei Earthship Biotecture suchen. Sie bieten neben Übernachtungen in Earthships auch Lehrgänge und Baupläne für das eigene Erdschiff-Projekt daheim an.

Judith Püschner
Autorin Judith Püschner

Judith liebt das Leben mitten in der Metropole Köln. Ihr Gespür für spannende Storys führt sie regelmäßig zu außergewöhnlichen Themen mit aktuellem Zeitgeist. Schon seit ihrer Kindheit folgt sie ihrer Passion, dem Schreiben; seit zwei Jahren nun auch als Redakteurin. Besonders begeistern sie die Themen Psychologie, DIY und Yoga. Bereiche, über die sie als Online-Redakteurin schreibt und die sie gerne ihrer Freizeit ausübt. Ein Gespür für ästhetische Einrichtung besitzt sie bereits seit ihrem Studium im Bereich Design. Seither entdeckt sie immer wieder neue Design-Innovationen und einzigartige Architekturen, über die sie auf kronendach berichtet. 

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