Capsule Wardrobe statt überfülltem Kleiderschrank, Lieblingsteile statt Wegwerfklamotte: Das verspricht wandelbare Mode. Wir begleiten Modedesignerin Nina Julia Walter und ihre nachhaltige Fashion Brand doublethewears.
Modedesignerin – von diesem Beruf träumen viele junge Mädchen und Jungs. Nina Julia Walter, Gründerin von doublethewears, lebt diesen Traum. Doch ihr Weg verlief nicht immer geradlinig. Ursprünglich plante sie eine Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau in einem bekannten Modeunternehmen. Doch die Firma wurde verkauft und so fiel ihr Ausbildungsplatz plötzlich weg. „Ich habe mich dann entschlossen, das zu tun, was ich eigentlich schon immer machen wollte – und zwar ein Modedesign-Studium in München.“
Schon während ihrer Diplomarbeit befasste sich Nina Julia Walter mit wandelbarer Mode. „Es ging um die Macht des Moments, den einen Moment der Gegenwart, den wir haben. Kleidung sollte so gestaltet werden, dass wir sie stets an den aktuellen Gefühlszustand anpassen können“, erzählt Nina. Sie entwickelte eine Kollektion um die vier Hauptgefühle Angst, Trauer, Wut und Freude. Alle Kleidungsstücke waren jeweils an den aktuellen Gemütszustand anpassbar: „Zum Beispiel konnte man einen Ärmel zur Kapuze umfunktionieren, wenn man ängstlich wurde.“ Daraus erwuchs die Idee, dass Kleidung wandelbar und funktional sein sollte. „Es war meine Diplomarbeit, die den Grundstein für mein eigenes Label doublethewears gelegt hat.“
Nach dem Studium arbeitete Nina als Produkt- und Grafikdesignerin und später als Produktmanagerin im Modebereich. „Währenddessen habe ich aber auch immer weiter genäht und die Idee der wandelbaren Mode verfeinert.“ Bereits 2011 meldet sie ihr Fashion Label als Nebenerwerb an und startete den Verkauf im kleinen Stil. Im selben Jahr entstand ihr erstes Modestück nach der Diplom-Kollektion: der Twock – ein Kleidungsstück, das sich je nach Stimmung in Tasche, Weste und Rock umwandeln lässt. Mit dieser Erfindung schaffte sie es später sogar bis in die TV-Sendung „Das Ding des Jahres“.
Reste in Wandelbares umwandeln
2014 eröffnete Nina Julia Walter ihren ersten Shop in München. Sie startete mit drei Produkten, die es auch heute noch gibt: einem Flexi-Sweatshirt mit wandelbaren Krägen, einem Wendeshirt, das man beidseitig tragen kann, sowie dem Twock. Interessant: Ihre ersten Kollektionen bestanden zunächst aus Stoffresten anderer Modehersteller. „Es gibt einen Stoffhändler in Baden-Württemberg, der übrig gebliebenen Stoff anderer Designer verkauft. So wird Müll vermieden und kleine Labels wie meins kommen an exklusive und außergewöhnliche Stoffe“, berichtet Nina. Solche Stoffe sind sonst aufgrund der hohen Mindestabnahmemengen nicht so einfach zugänglich für kleine Fashion Brands.
Besonders an der Mode von doublethewears: Jedes Kleidungsstück kann auf mindestens zwei Arten getragen werden. Besonders beliebt sind bei Männern wie Frauen Klassiker wie Wendejacken und Sweatshirts mit abnehmbarer Kapuze. Bei der Damenmode überzeugt die Kundinnen schon immer eine bestimmte Linie: „Wir haben drei Produkte aus einem transparenten Stoff – einen Kimono, einen Blouson und ein Top. Alle Teile sind bestickt, wobei die Stickerei auf einer Seite bunt und auf der anderen weiß erscheint.“
2018 nahm Nina Julia Walter an der TV-Sendung „Das Ding des Jahres“ teil und stellte dort ihren Twock vor. Die Erfindung, die sich in Tasche, Weste und Rock umwandeln lässt, brachte der Designerin einen kurzen Ansturm auf ihre Mode. Doch obwohl sie den Twock patentieren ließ, blieben die Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurück: „Die jahrelange Erfahrung hat gezeigt, dass das den meisten Kundinnen einfach zu kompliziert ist.“ Das Produkt hat sich nicht als Bestseller etabliert. Die einfacheren Unisex-Produkte, beispielsweise das Wendeshirt, sind dafür bis heute sehr beliebt. Auch die Sendung „Das Ding des Jahres“ wurde abgesetzt: „Da habe ich wohl aufs falsche Pferd gesetzt. Aber die Erfahrung, vor der Kamera zu stehen, war trotzdem einmalig.“
Produziert wird die wandelbare Mode übrigens in Estland. Limitierte Editionen werden im eigenen Atelier gefertigt. Zudem setzt das Unternehmen auf Naturmaterialien und vegane Stoffe wie etwa in Deutschland produziertes Kunstleder. Dafür wurde doublethewears 2020 von PETA Deutschland mit dem Vegan Fashion Award ausgezeichnet. Das Motto der Modemarke: „Own less – wear more.“
Bitte nicht zu Öko
Eine Herausforderung für doublethewears war es zu Beginn, den eigenen Kunden kennenzulernen. „Ich musste herausfinden: Welche Farben, welche Stoffe, Haptiken und Schnitte gehen gut?“ Auch von Stadt zu Stadt unterscheiden sich die Kunden. Der erste Standort in München bediente eine andere Klientel als der spätere Laden in Berlin. „In München kaufen die Leute entweder sehr günstig, also Fast Fashion oder sehr teuer, also High-End-Luxusmarken. Modelabels im Zwischenpreissegment wie meins haben es daher sehr schwer“, berichtet Nina Julia Walter. „Ich habe schon an meiner Kompetenz gezweifelt.“ 2015 kam der Lichtblick: Die junge Designerin bekam einen Pop-Up-Store in der Concept Shopping Mall „Bikini Berlin“ in der Nähe des Ku‘damms. Doch das war nicht das war nicht das Einzige, was Nina Julia Walter in die Hauptstadt führte. „Ich war verliebt in Berlin“, verrät die Designerin. Die Liebe hielt: Mit dem besagten Mann ist sie noch heute zusammen und mittlerweile glückliche Mutter.
Dass sie das Schicksal nach Berlin führte, sollte sich auszahlen. Nach dem Pop-Up-Store folgten einige Stationen in der Hauptstadt, bis sie schließlich 2019 das eigene Ladengeschäft mit angrenzendem Atelier eröffnete. Durch die Corona-Pandemie musste Nina den Laden schließen – das Atelier blieb erhalten. Aktuell verkauft doublethewears daher nur über den eigenen Online-Shop und ist bei Otto und Avocadostore vertreten. Außerdem vertreiben zwei Geschäfte in Zürich und Hannover die wandelbare Mode. Corona war gleichzeitig eine Chance: Das Modelabel hielt sich mit der Produktion wiederverwendbarer Masken aus einem medizinischen Stoff am Leben. Diese nähte das Team von Nina im Berliner Atelier. Da das Unternehmen eines des ersten war, dass solche Masken in Deutschland produzierte, berichteten damals viele Medien: „Die Masken haben uns in der Krise gerettet.“
Obwohl der Schritt in die Selbstständigkeit nicht immer leicht war, bereut die Designerin ihn nicht. „Ich habe so viele tolle Kunden und Kundinnen kennengelernt, dass auch die Fehler, die ich gemacht habe, am Ende okay sind. Rückblickend bin ich glücklich und zufrieden mit der Entwicklung, die das Label genommen hat. Ich liebe meinen Job“, berichtet sie und muss dabei fast weinen.
In Zukunft möchte Nina Julia Walter vor allem auf Mode aus Naturmaterialien wie zum Beispiel Bio-Baumwolle setzen: „Hier muss man allerdings aufpassen, dass es nicht zu ‚Öko‘ aussieht. Leider ist in diesem Bereich die Stoffauswahl noch nicht so groß.“ Noch vorhandene Kleidungsstücke aus frischer Kunstfaser möchte sie noch abverkaufen. Schließlich ist es nicht nachhaltig, diese einfach wegzuwerfen. Zukünftig soll aber recycelter Polyester zum Einsatz kommen. Auch über eine Kinderkollektion denkt die junge Mutter nach.
Wie du wandelbare Mode entdeckst
Nina Julia Walter trägt fast ausschließlich ihre eigene Mode. Sie empfiehlt ihre Kleidung für alle Männer und Frauen, die mit wenigen Teilen viele Outfits gestalten wollen – nach dem Prinzip Capsule Collection.
Willst du deine Kleidung wandelbar gestalten, ohne deinen ganzen Kleiderschrank neu zu kaufen, dann helfen unsere Tipps:
- Klamotten selbst färben: Das weiße Shirt hat schon bessere Tage gesehen – wie wäre es mit einer neuen Farbe? Mit Textilfarben aus dem Drogeriemarkt kannst du dem alten T-Shirt neues Leben einhauchen. Experimentierfreudige wagen sich an ausgefallene Färbetechniken wie Tie-Dye oder Batik. Wer auf Chemie verzichten will, nutzt natürliche Färbemittel wie Kamille, Kurkuma oder Rote Beete.
- Kleidertauschparty: Deine Freund:innen tragen eine ähnliche Kleidergröße – wie wäre es mit einer Kleidertauschparty? Je nach Lebensabschnitt verändert sich die Kleidung, die wir brauchen und wollen. Bei Kleidertauschpartys kannst du mit deinen Freund:innen ungeliebte oder nicht mehr benötigte Kleidung einfach tauschen. Deine beste Freundin braucht ein Outfit fürs Vorstellungsgespräch: Hattest du da nicht diese Bluse im Schrank, die ihr gefallen könnte? Die große Schwester war schwanger und jetzt hast du den Babybauch? Vielleicht gibt sie dieses schicke rote Kleid an dich weiter. Solche Partys lohnen sich übrigens auch bei Kinderkleidung.
- In die Schneiderei bringen: Die lange Jeans sitzt an den Knien nicht mehr schön? Zeit für ein Paar Shorts! Das Kleid würde ohne Ärmel besser aussehen? Schneide sie ab! Bei einer professionellen Änderungsschneiderei kannst du deine alten Teile zu neuen coolen Kleidungsstücken umformen lassen. Das ist nachhaltig und du kannst sicher sein, dass niemand dasselbe trägt wie du.
Als Master der Kommunikationswissenschaften ist Annalena fasziniert von den Geheimnissen der Psychologie und den Nuancen zwischenmenschlicher Beziehungen. Ihrer künstlerischen Ader kann sie auf der Theaterbühne Ausdruck verleihen. Im Einklang mit der Natur entdeckt sie ständig Neues. Darum schreibt sie am liebsten über Reisen, Gesundheit, Schönheit und nachhaltige Ernährung. Ihre Lebensphilosophie: Immer neugierig bleiben!